piwik no script img

Das PortraitIsrael vor die Tür gesetzt

■ Mussa Abu Marsuk

Der seriös blickende bärtige Mann wiegte den Kopf: „Vielleicht ja, vielleicht nein.“ Gefragt worden war er, ob Anschläge die Probleme der Palästinenser lösen könnten. Mussa Abu Marsuk hatte Grund zur Vorsicht. Der 46jährige ist einer der Führer der militanten Palästinenserorganisation Hamas, und das Gespräch mit einem Reporter fand in einer Zelle in New York statt. 22 Monate zuvor war Marsuk auf dem dortigen Flughafen verhaftet worden, als er gerade aus den Vereinigten Arabischen Emiratenzurückkam. Von einer Geschäftsreise, behauptete er – von einem Trip, um Anschläge zu organisieren, vermuteten die US-Behörden. Obwohl der verheiratete Vater von sechs Kindern seit fast 20 Jahren in den USA lebte, kam er in Abschiebehaft. Geboren wurde Marsuk in einem Flüchtlingslager im Gaza-Streifen, aufgewachsen ist er in Kairo. Zum Ingenieurstudium ging er in die USA. Mit einem Doktorgrad der Columbia State University in der Tasche baute er sich eine Existenz auf. Sein US-Aufenthalt habe der Geldbeschafung für Hamas gedient, behaupten die US-Behörden. 70 Millionen US-Dollar jährlich soll Marsuk ins Westjordanland und den Gaza-Streifen transferiert haben. Marsuk behauptet, die Gelder seien in soziale Projekte von Hamas geflossen. Israels Regierung sagt, mit dem Geld seien Waffen gekauft worden. Vor einem US-Gericht wollte Marsuk nachweisen, daß er dem

politischen Flügel von Hamas angehöre, der von dem militärischen getrennt sei. Anfang dieses Jahres gab er auf: Es sei für ihn unmöglich, ein faires Verfahren zu bekommen.

Der Weg zur Abschiebung war frei. Aber wohin? Israels Regierung, die Marsuks Auslieferung beantragt hatte, knickte ein. Ein Prozeß gegen Marsuk sei zu gefährlich, hieß es aus Regierungskreisen, und – unterderhand – man habe nicht genügend Beweise. Schließlich gab Jordaniens König Hussein sein O.K. – ein Affront gegen PLO-Chef Jassir Arafat. Dieser hätte Marsuk gerne unter seiner Kontrolle in Gaza gehabt. Seit gestern sitzt Marsuk in Amman – vor Israels Haustür. König Hussein hält im nahöstlichen Poker eine Karte mehr in der Hand. Aber hat Marsuk Einfluß auf potentielle Selbstmordattentäter? Im Gefängnis hatte er erklärt: „Wenn jemand entschlossen ist, zu sterben, sehe ich keine Möglichkeit, ihn zu stoppen.“ Thomas Dreger

Von den USA nach Jordanien abgeschoben: Hamas- Führer Mussa Abu Marsuk Foto: AP

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen