: Ausstand im grünen Vorstand
Die grüne Partei in Schleswig-Holstein steht vor einer Zerreißprobe: Vier Realos traten gestern aus dem Vorstand zurück ■ Von Simone Sigmund
Bei den Grünen in Schleswig-Holstein geht es drunter und drüber. Gestern kündigten die vier Realos im Landesvorstand ihren Rücktritt an. Einsame Vorständlerin ist jetzt die Lübeckerin Antje Jansen, die sich weigerte, den Schritt der vier Koalitionsbefürworter mitzumachen.
Der Vorstand sei nicht mehr handlungsfähig, begründete Vorstandssprecher Klaus Müller gestern in Kiel den Rücktritt der vier Realos. In einem fünfseitigen Brief erläutern er, Monika Jacobs-Schilling, Annedore Cranz und Klaus Siebert, warum sie auf der Delegiertenkonferenz am 24. und 25. Mai in Eckernförde ihre Ämter niederlegen werden und danach erneut für das Gremium kandidieren wollen. Um als Partei in der rot-grünen Koalition ein Maximum an grüner Politik durchzusetzen, fehle es derzeit an „grüner Geschlossenheit“. Deshalb sei es nötig, mit der Wahl eines neuen Landesvorstandes auch die Entscheidung über den politischen Kurs der schleswig-holsteinischen Grünen zu treffen.
Antje Jansen, ausgewiesene Gegnerin der rotgrünen Koalition in Kiel, reagierte heftig: Der Rücktritt von Müller & Co. sei ein „taktisches Spielchen“, um sie loszuwerden. „Wenn der Landesvorstand wirklich so schlecht gearbeitet hätte, wie sie behaupten, dann wäre es die Pflicht und Schuldigkeit eines jeden Vorstandsmitgliedes, zurückzutreten und nicht erneut zu kandidieren.“
Jansen hatte bei ihrer Wahl im Juni vergangenen Jahres angekündigt, „den Finger in die grünen Wunden der Koalition“zu legen. Sie wolle die rund 40 Prozent der Grünen vertreten, die dem Regierungsbündnis skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Hinter vorgehaltener Hand allerdings kritisieren immer mehr Grüne an Antje Jansen, daß sie „nicht konstruktiv“arbeite, sondern immer nur Nein sage. Vor einem Abwahlantrag allerdings braucht sich die Lübeckerin nicht zu fürchten, da die Fristen abgelaufen sind.
Am Streit zwischen den Flügel-Protagonisten Jansen und Müller macht sich der schon seit Beginn der rot-grünen Koalition schwelende Konflikt zwischen Gegnern und Freunden des Regierungsbündnisses fest. Selbst inhaltliche Auseinandersetzungen wie die Debatten um die Stillegung des AKW Krümmel oder den Bau der Ostseeautobahn A 20 waren in den vergangenen Monaten unter der Frage „Bist Du für oder gegen diese Koalition?“geführt worden.
Das Ziel der Koalitionsbefürworter ist klar: Sie wollen die Mehrheit in dem Gremium. Die Koalitionskritiker hatten sich bei den Vorstandswahlen im Sommer vorigen Jahres zunächst die Mehrheit mit vier zu drei in dem Gremium gesichert. Zwei Vorständler sind bereits im Herbst und Winter der Querelen müde geworden und zurückgetreten, jetzt folgen vier weitere. Antje Jansen ist nun ganz allein im Haus.
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