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Tanzende, kulinarisch begabte Exoten

■ In Magdeburg gibt es drei Jahre nach der rassistischen Himmelfahrtsjagd Nachhilfe: Die Polizei feiert ein Begegnungsfest mit „ausländischen Mitbürgern“

Kochen können sie, die Ausländer. Und tanzen. Das immerhin erfahren die 3.000 Magdeburger, die an diesem sonnigen Himmelfahrtstag zum Stadtpark schlendern und das 2. „Begegnungsfest“ feiern. Wer von den Besuchern sich die knappe Eröffnungsrede des sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Reinhard Höppner (SPD) anhört, erfährt zudem, daß es nicht „Ausländer“ heißt, sondern „ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger“. Nachhilfeunterricht in der Landeshauptstadt, wo vor drei Jahren am Himmelfahrtstag Ausländer von deutschen Mitbürgern durch die Innenstadt gejagt und zusammengeschlagen wurden.

Der seit fünf Jahren in Deutschland lebende Marokkaner Elmoghazli Mohamed Fouad erlebt die Magdeburger immer wieder als „etwas verklemmt“. Wenn sie Nichtdeutschen begegnen, verhielten sie sich zumeist „nett und ängstlich“. Jeder der 5.000 Ausländer auf Magdeburgs breiten Straßen werde pauschal als „Asylant“ wahrgenommen. Eine Ausnahme aber möchte der Student ausdrücklich feststellen: Das Klima unter den Professoren und Studenten in seiner Fachschule erlebe er als „wunderbar“. Elmoghazli Mohamed Fouad ist Mitglied des Magdeburger Ausländerbeirates – dieses Gremium wurde im Dezember von den in Magdeburg lebenden Ausländern gewählt und arbeitet bis heute unter einer Briefkastenadresse. „Wir beraten in der eigenen Wohnung“, erklärt der Jemeniter Nasser Salem. Was nicht unbedingt das Vertrauen der Klientel in ihre Interessenvertretung stärkt. Wer nicht einmal die eigenen Interessen durchsetzen und ein eigenes Büro einrichten kann, wird wohl auch sonst nicht viel gegenüber den deutschen Behörden ausrichten können.

Magdeburg brauche „viel mehr Informationen über seine Ausländer“, stellt Nasser Salem fest. Bei dem gutgemeinten Fest erlebten sie die MitbürgerInnen nur als tanzende, kulinarisch begabte Exoten. Für die konkreten Lebensverhältnisse und die politische Situation in den Heimatländern würde sich kaum jemand interessieren. Aber davon ist auf diesem gutgelaunten Begegnungsfest nur am Rande die Rede.

Schirmherr Höppner schaut der Sonne ins Gesicht: „Das Wetter ist besser als der Wetterbericht“, und dies gelte „auch für das Verhältnis von Deutschen und ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern“. Feiern und feiern lassen.

Die Idee zu dem Fest überkam den Magdeburger Polizeipräsidenten nach dem skandalösen Einsatz seiner Truppen gegen die rassistische Hatz vor drei Jahren. Damals waren nicht nur die Täter festgenommen, sondern auch die Opfer stundenlang eingesperrt und gedemütigt worden. Seinen eigenen Beamten zuerst wollte er zeigen, wie groß die Welt ist. „Ausländerfreundlichkeit“, erklärt Polizeisprecher Lothar Schirmer, „kann man nicht per Weisung verordnen. Das ist ein langer Prozeß.“ Heute gebe es in jedem Polizeirevier einen Ausländerbeauftragten, der „Kontakt hält“ zu den ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.

„Wir mußten erst einmal die Polizei selbst sensibilisieren für den Umgang mit Ausländern“, erinnert Schirmer. Jetzt, wo die Polizei das Fest zum zweiten Mal feiert, spricht sie schon von „Tradition“. Detlef Krell

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