: Nachspiel für Scherf
■ Grüne und AfB wollen politische Verantwortung bei der Knastaffäre im Untersuchungsausschuß klären
Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuß soll jetzt die Zustände in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Oslebshausen aufklären. Die Grünen und die AfB haben gestern einen entsprechenden Antrag an die Bürgerschaft gestellt. Die Große Koalition aus CDU und SPD hat ihre Zustimmung signalisiert. Deshalb wird die Bürgerschaft die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses in einer Sondersitzung am 26. Mai aller Voraussicht nach einstimmig beschließen.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen zehn Justizvollzugsbeamte, die Häftlinge mißhandelt haben sollen. „Es ist ein Skandal, daß Scherf trotz dieser Menschenrechtsverletzungen an seinem Sessel festhält“, sagte Helga Trüpel, Fraktionssprecherin der Grünen, als Reaktion auf die Bürgerschaftsdebatte am Mittwoch. Wie berichtet, war der Antrag der Grünen, Henning Scherf (SPD) als Justizsenator abzulösen, an den Stimmen der Großen Koalition gescheitert. Scherf, der sich gestern „mit Kommentaren“, ob der Untersuchungsausschuß notwendig sei, „zurückhalten wollte“, betonte noch einmal, daß er die „Chance nutzen“wolle, die Veränderungen im Strafvollzug selbst voranzutreiben. „Auch das ist eine Form von politischer Verantwortung“, sagte er. „Damit ist jeder Rücktritt eine Flucht aus der politischen Verantwortung“, empörte sich Trüpel. „Scherf ist in die politische Verantwortung gewählt und darauf vereidigt worden“, schlug Elke Kröning, Fraktionssprecherin der AfB, in die gleiche Kerbe.
Die Opposition will deshalb jetzt genau wissen, wie Scherf die JVA kontrolliert hat und ab wann er auf Mißstände im Gefängnis aufmerksam gemacht wurde. Schon im August 1995 war dem Senator für Justiz nämlich der vertrauliche Bericht einer Sonderkommission der Kripo, der K 34, zugegangen. Darin ist von mysteriösen Todesfällen in der JVA die Rede.
Die Kripobeamten beklagten sich u.a. über „konkrete Behinderungen bei den Todesermittlungen“und darüber, daß die „Tatorte bis zum Eintreffen der Polizei verändert“worden seien. „Diese Gruppe durfte nicht weiter ermitteln, wir wollen wissen, warum nicht“, sagte Elke Kröning. Außerdem soll der Ausschuß zutage fördern, „welche Strukturen zu den katastrophalen Verhältnissen“(Trüpel) im Knast geführt haben.
Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen seien dafür „eigentlich ausreichend“, sagten die Fraktionschefs Christian Weber (SPD) und Ronald-Mike Neumeyer (CDU) gestern einvernehmlich. Dennoch hätten sich beide Fraktionen einstimmig für den Untersuchungsausschuß ausgesprochen. Die Große Koalition hätte den Ausschuß nicht verhindern können: Ein Viertel der 100 Bürgerschaftsabgeordneten muß für einen Untersuchungsausschuß stimmen. Unter den Antrag der Opposition haben bereits 25 Abgeordnete ihre Unterschrift gesetzt. Es sei zwar „guter parlamentarischer Stil“, dem Ausschuß zuzustimmen, räumte Neumeyer ein. „Wir stimmen aber nicht nur aus Rücksicht gegenüber der Opposition zu, wir halten einen Untersuchungsausschuß auch für gerechtfertigt“, betonte er. Bis zum Jahresende soll der Ausschuß, der nach der Vorstellung von AfB und Grünen aus acht Mitgliedern bestehen soll, die Todesfälle, Mißhandlungen und Ausbrüche in der JVA aufklären. Den Vorsitzenden des Ausschusses wird die AfB stellen.
Unterdessen haben Henning Scherf und sein frichgebackener Staatsrat Mäurer die Neuerungen im Knast vorgestellt: Mäurer will u.a. private Sicherheitsdienste auf dem Hof patroullieren lassen und eine Innenrevision im Knast aufbauen. kes
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