piwik no script img

Außen hui, innen weiter pfui

■ Erster Knast-Trakt in Santa Fu renoviert / Insassen fürchten Selektion / Sterile Spritzen für Junkies gibt es aber weiterhin nicht Von Sannah Koch

Vieles soll sich ändern, aber eines bleibt: Die Anstalt II in Hamburgs Vollzugsanstalt Fuhlsbüttel wird zwar derzeit kräftig grundüberholt, doch im Innenleben knirscht es kräftig weiter. „Hier wird auf keinen Fall mit der Ausgabe von Einwegspritzen an Drogenabhängige begonnen“, stellte Justizsenator Klaus Hardraht gestern bei einer Presse-Führung durch Santa Fu klar. Damit schlägt er die Empfehlung der vor einem Jahr von ihm eingesetzen „Kommission zur Entwicklung eines Drogenkonzepts für den Strafvollzug“ in den Wind.

Allerdings nicht ganz aus freien Stücken: Hardraht hatte in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, daß er den Spritzentausch will. Doch schon seine Ankündigung, ihn bald in Hamburgs Knästen einzuführen, trieb im Frühjahr die Gewerkschaft der Vollzugsbeamten auf die Barrikaden. Öffentlich hatte sie gedroht, Hardrahts Pläne zur Aufstellung von Spitzenautomaten zu boykottieren. Trotz der „Akzeptanzprobleme“ hatte die Drogen-Kommission dem Senator nahegelegt, mit der Spitzenausgabe in der Anstalt II (hier sitzen über 400 Langzeitgefangene) „unverzüglich zu beginnnen“. Die Ängste der Schließer, die Spritzen könnten als Waffen verwendet werden, würde sich am schnellsten durch „learning by doing“ abbauen lassen. Rechtliche Hindernisse, so die Kommission, gebe es bei der Spritzenausgabe nicht.

„In die Anstalt II muß jetzt erst mal Ruhe einkehren“, so begründete der Senator gestern seine ablehnende Entscheidung. Nicht ohne eine Spitze gegen die Kommissionsvorsitzende und Direktorin am Amtsgericht, Ursula Gerhard, loszuwerden: „Ich habe Frau Gerhard die Leitung der Anstalt mitsamt Spritzentausch angeboten, aber sie hat dankend abgelehnt.“

Immerhin kann Hardraht aber den lange geplanten Umbau des maroden D-Trakts abfeiern. Im Frühjahr –94 hatte er 20 Millionen Mark zur Modernisierung von Santa Fu bewilligt bekommen – erste Resultate präsentierte er gestern in Trakt D. Hier wurden für fünf Millionen Mark Zellen renoviert und Zwischendecken gezogen um Rückzugsmöglichkeiten für die Gefangenen zu schaffen. Fünf neue Stationen für je 22 Insassen wurden eingerichtet: Zwei sozialtherapeuthische, eine Sicherungs-, eine für ältere Gefangene und eine offene Station. In den nächsten Monaten folgt die Renovierung des A-Flügels: Hier ist eine Drogenrückzugsstation vorgesehen.

Die Insassenvertretung von Santa Fu mag sich aber nicht über den Umbau freuen: Die Stationswohngruppen sollen nach ihrer Ansicht zur „Selektion der Insassen“ dienen; hier würden nur die Problemfälle aussortiert. „Nicht etwa die Beschäftigung mit den Problemen der Gefangenen ist die Lösung, sondern Selektion und Repression“, so die Insassenkritik.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen