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Johnny rettet die Menschheit

■ Der Fantasy-Kultautor Terry Pratchett liest in Hamburg

Natürlich ist die Erde keine Scheibe. Und damit nicht die ganze Welt sofort beleidigt ist, läßt Kultautor (endlich mal jemand, der diese Bezeichnung verdient!) Terry Pratchett die grotesken Handlungen seiner Romane eben in und auf der „Scheibenwelt“ passieren, dort sind glasklare Realitätsbezüge erst mal gut versteckt. Wie steuert man wohl einen Lastwagen, wenn man nur zehn Zentimeter groß ist? Das sind Fragen. Die Antworten darauf weiß der Brite Terry Pratchett, er gehört zu den erfolgreichsten Autoren im Bereich Science-fiction und Fantasy, seine Romane erreichen Millionenauflagen. Gefährlich sind seine Bücher, denn sie verwischen all das, was man für die Realität hielt. In dem Roman Nur Du kannst die Menschheit retten etwa treten die außerirdischen Wesen, die der kleine Johnny allabendlich auf dem PC „abballert“, plötzlich mit ihm in Kontakt. Johnny wird auserkoren, diese Wesen zu bewahren vor der täglichen Ausrottung ihres Volkes durch Computerkids.

Zwar ist das Motiv des Realwerdens einer Computerwelt nichts Neues, doch die Art, in der Pratchett sich diesem Thema nähert, ist sensationell. Der Leser spürt die offensichtliche Faszination, die das Weltraumsujet mit allen technischen Raffinessen auf den Autor ausübt, doch bewahrt sein pädagogischer Ansatz seine Romane vor den enervierenden Materialschlachten normaler Science-fiction-Texte. Denn gerade durch die Leidenschaft, mit der der in diesem Punkte selber noch zutiefst kindlich ausgerichtete Pratchett über Joystick und Raumschiffe erzählt, faßt jedes der Millionen Pratchett-Bücher-Verschling-Kids sofort Vertrauen zu dem Autor. Der will ihnen nicht verbieten, dauernd am Bildschirm zu sitzen, der tut das ja wohl selber immer, denken die Kids. Endlich mal ein cooler Erwachsener. Doch von wegen! Immer deutlicher wird im Romanverlauf, wie sehr die Kids der Wirklichkeit entfleuchen, wie sie sich per Knopfdruck aus dem Leben in eine Scheinwelt beamen, die so intensiv ist, daß sie immer raumgreifender wird und kaum noch Platz für das „richtige“ Leben läßt.

Dies merkt jedes Kind. Der Autor bietet so eine Alternative zu weltfernem Elterngequake, hier werden Computer mit ihren eigenen Mitteln geschlagen. Ein bißchen revolutionär das ganze.

Benjamin v. Stuckrad-Barre

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