: Der „furchtbare Jurist“ tritt von der Brücke
■ Die rechte Studienstiftung Weikersheim wählt einen neuen Vorsitzenden. Nachfolger von Hans Filbinger soll der CDU-Parlamentarier von Stetten werden
Berlin (taz) –Ein Machtwechsel steht an in der Hochburg des erzkonservativen Geistes: Der ehemalige Marinerichter Hans Filbinger, der „furchtbare Jurist“, wie ihn einst der Dramatiker Rolf Hochhuth titulierte, tritt von der Brücke. Am 23. Mai wird der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Freiherr von Stetten den Vorsitz der Studienstiftung Weikersheim übernehmen. Der neue Mann will die rechte Denkfabrik im baden-württembergischen Taubertal modernisiert ins nächste Jahrtausend führen – befreit vom Ruf, Hort reaktionärer Gesinnung zu sein.
Ein widersprüchlicher Mann, der Filbinger (Jahrgang 1913) nachfolgen soll. Von Stetten ist zwar ein strammer Konservativer, als Rechtspolitiker der Union setzt er sich aber seit geraumer Zeit für die Entschädigung der baltischen Holocaust-Opfer ein. Am Tag des Grundgesetzes will er den Generationswechsel der Stiftung einleiten. „Unsere Institution hat unter den persönlichen Angriffen auf Hans Filbinger gelitten. Deshalb haben mich Kuratorium und Präsidium als neuen Vorsitzenden vorgeschlagen, und ich werde die Nachfolge von Hans Filbinger antreten“, so von Stetten. Mit dem Freiherrn soll jedoch nicht nur ein Personalaustausch stattfinden – ein neuer Geist soll in Zukunft durch das Schloß im Taubertal wehen. Von Stetten hat angekündigt, die Studienstiftung Weikersheim aus der „Schußlinie der linken Medien“ führen zu wollen und mehr durch Kompetenz, denn durch politische Polarisierung zu profilieren. Weikersheim soll, so von Stetten, eine Ideenagentur werden. „Ursprünglich waren wir ein liberal-konservativer Studienkreis, dahin möchte ich die Stiftung wieder führen“, formuliert von Stetten vorsichtig die angepeilte Modernisierung der Institution.
Die angekündigte Kehre im baden-würtembergischen Weikersheim, die der neue Vorsitzende im Herbst durch eine neue Konzeption unterstreichen will, korrespondiert mit dem Modernisierungsringen konservativer Vordenker. Für die Ära nach Kohl bereiten sich Christkonservative wie Vordenker rechts der Union darauf vor, die Meinungsführerschaft zu erringen. Noch scheint nicht entschieden, ob sich Modernisierer liberaler Prägung oder rechtskonservativen Geistes durchsetzen können – auch in Weikersheim nicht. Bisher stand die Denkfabrik wie kaum eine andere Institution für das Drängen nach rechts. 1979 traten die Weikersheimer um den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger und den Philosophieprofessor Günther Rohrmoser an, um das einzuleiten, was Bundeskanzler Helmut Kohl kurze Zeit später als „geistig-moralische Wende“ versprechen sollte. Unterstützt mit öffentlichen Geldern und Finanzspritzen aus der Wirtschaft etablierte sich Weikersheim als Schnittstelle zwischen CDU und dem rechten Rand. Als Referenten für die jährliche „Weikersheimer Hochschulwoche“ standen in der Vergangenheit neben CDU- Politikern zum Beispiel auch der Herausgeber der rechten Zeitschrift „Staatsbrief“, Hans-Dietrich Sander, auf der Weikersheimer Tagungsliste, ebenso wie der nationale Burschenschaftler und ehemalige Redakteur der Jungen Freiheit, Hans-Ulrich Kopp. Auch der heutige Republikaner-Vorsitzende Rolf Schlierer saß bis 1989 in Präsidium und Kuratorium, öffentlicher Druck beförderte dann sein Ausscheiden. Mit der Gründung ihrer Jugendorganisation „Junges Weikersheim“ holten sich die Schwaben dann sogar Neonazis wie den Berliner Rechtsextremisten Ulli Boldt ins Boot. Mit seiner Hilfe wollte der Nachwuchs „im Klima der geistigen Freiheit einen Beitrag zur Bildung einer geistigen Elite“ leisten. Boldt allerdings wurde, nachdem der Fauxpas aufgefallen war, wieder in die ostdeutsche Wüste geschickt. In jüngster Zeit prägen Themen wie die nationale Identität und der Feldzug gegen die sogenannte Political Correctness die geistige Erneuerung der Weikersheimer. Diesen Themen fühlt sich auch der Freiherr verbunden. Mit den Ausflügen in die ganz rechte Ecke jedoch will der schwäbische Freiherr Schluß machen. „NPD, Republikaner und PDS haben bei uns nichts zu suchen“, zieht von Stetten die Grenze – und bleibt seiner Gleichsetzung von Kommunismus und Nationalsozialismus treu. Wie eng seine Grenzziehung nach rechts ausfallen wird, bleibt abzuwarten. Schließlich ist Wolfgang Freiherr von Stetten selbst langjähriger Streiter der Studienstiftung und trägt deren Politik mit. Die lange angekündigte Wachablösung im Taubertal vermeidet indes tiefere Zerwürfnisse: Filbinger bleibt Ehrenpräsident. Barbara Junge
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