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Bonn ohne Nato-Kostenvoranschlag

In sieben Wochen werden neue Mitglieder in die Nato aufgenommen, doch die Bundesregierung will noch immer nicht wissen, was dies kostet. Dabei haben die USA schon längst gerechnet  ■ Aus Berlin Dieter Rulff

Die Bundesregierung sieht die Osterweiterung der Nato „vor allem als politische Entscheidung an“ und hat dazu „bisher keine eigenen Kostenschätzungen aufgestellt“. So die Antwort des Bundesverteidigungsministers Volker Rühe (CDU) auf eine kleine Anfrage des Vorsitzenden des Unterausschusses für Abrüstung und Rüstungskontrolle des Bundestages, Gernot Erler (SPD).

Rühe erklärt darin, daß „relevante, derzeit nicht quantifizierbare Kostenfaktoren“ die Bundesregierung von einer eigenen Berechnung abhalten. Dazu zähle etwa „das künftige politisch-strategische Umfeld einschließlich der Etablierung einer politisch-strategischen Partnerschaft von Nato und Rußland in einer neuen kooperativen Sicherheitsstruktur“. Auch der „Zeitrahmen für die Implementierung der Öffnungsentscheidung und der Kostenschlüssel für alte und neue Mitgliedstaaten“ gehörten dazu. Dies erstaunt, denn zum einen war die US-Regierung bereits in der Lage, dem Kongreß eine Kostenberechnung vorzulegen. Zum anderen kursiert, trotz Rühes Dementi, in seinem eigenen Haus ein internes Papier, das Schätzungen macht. Diese Untersuchung kommt zu Erweiterungskosten bei der Aufnahme eines kleinen Landes in die Nato von 600 Millionen Mark in zehn Jahren. Das sind 4 Prozent des gegenwärtigen Nato-Etats für Infrastrukturmaßnahmen und 1,2 Prozent des Nato-Militärhaushalts. Bei einem großen Land beträgt die Summe rund 1 Milliarde Mark. Die gesamten Nato-Haushalte belaufen sich auf knapp 2,6 Milliarden Mark pro Jahr, der deutsche Anteil beträgt 580 Millionen Mark. Auf der Hardthöhe kommt man zu der Einschätzung, daß die in der mittelfristigen Nato- Finanzplanung ausgewiesenen Beitragsobergrenzen nicht erhöht werden müssen, wenn neue Mitglieder aufgenommen werden.

Das ist eine äußerst optimistische Prognose, die wie Rühes bisheriges öffentliches Schweigen dazu angetan ist, die Kosten der Nato-Osterweiterung aus der innerdeutschen Finanzdiskussion herauszuhalten. Die Prognose steht sowohl hinsichtlich der Summe als auch deren Aufschlüsselung im Widerspruch zu den US- Berechnungen. Als Präsident Bill Clinton am 24. Februar dem Kongreß über die Folgen der Nato- Osterweiterung berichtete, kam er auf 27 bis 35 Milliarden Dollar für den Zeitraum bis 2009. Diese 2,1 bis 2,7 Milliarden Dollar jährlich liegen noch weit unter den 60,6 bis 124,7 Milliarden Dollar, die die Haushaltsabteilung des Kongresses selbst für die kommenden fünfzehn Jahre errechnet hatte – sie liegen jedoch weit über Rühes Kalkulationen. Das liegt auch darin begründet, daß er bestimmte Kosten, die die US-Amerikaner zugrunde legen, nicht anerkennt. So geht Rühe davon aus, daß den beitretenden Staaten „vergleichbare Kosten durch notwendige Modernisierung der Streitkräfte ohnehin entstehen“.

Auch den amerikanischen Kostenschlüssel will sich Rühe nicht zu eigen machen. Die US-Regierung hatte die Aufwendungen im Verhältnis 15 Prozent für die USA, 35 Prozent für die neuen Mitglieder und 50 Prozent für die europäischen Mitglieder aufgeteilt. Die amerikanische Vorstellung, wonach die europäischen Alliierten zum Schutz der Neumitglieder vor allem ihre regionalen Verstärkungskräfte, regional reinforced capabilities, ausbauen und dafür die Kosten selbst tragen, stößt bei Rühe auf keine Gegenliebe. Durch die Aufnahme neuer Mitglieder würden auf die deutschen Streitkräfte „keine zusätzlichen neuen Aufgaben zukommen, die nicht durch die gültige Bundeswehr- und Streitkräfteplanung abgedeckt sind“. Das beunruhigt den SPD- Experten Erler. Es sei „bemerkenswert, daß sich die Parlamente der Nato-Staaten mit Ausnahme der USA auf ein Procedere einlassen, bei dem erst mal erweitert wird und dann erst über die Kosten gesprochen werden soll“.

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