: Ohrenenttäubendes
■ Die Kammerphilharmonie Bremen und das Barockorchester Freiburg riskieren was
Mit „Jubiläum und Premiere“überschrieben ist das 3. Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen in Hamburg; das junge, dynamische Kammerorchester mit dem konventionellen Namen und dem unkonventionellen Konzept will schließlich auch mitfeiern bei den diesjährigen Großgedenktagen zu Ehren Schuberts und Brahms'. Mit einer Premiere – weil die zur Aufführung kommenden Werke allesamt zu groß besetzt sind für ein Kammerensemble, taten sich für das Jubiläumsprojekt erstmals zwei der besten deutschen Kammerorchester zusammen, die Deutsche Kammerphilharmonie und das Barockorchester Freiburg. Eine Novität, die Schule machen könnte. Denn obgleich ein Großteil des traditionellen Orchesterrepertoires für üppige Besetzungen komponiert wurde, sind solch große Klangkörper heutzutage immer schwieriger zu finanzieren.
Mit den Freiburgern haben die Bremer, die mit demselben Chefdirigenten Thomas Hengelbrock arbeiten, eine der interessantesten neuen Kapellen Deutschlands als Partner gewonnen. Die Freiburger arbeiten normalerweise auf historischen Instrumenten und haben sich bisher überwiegend mit Barockmusik beschäftigt.
Wie es sich für zwei so experimentierfreudige Ensembles gehört, fällt das Jubiläumsprogramm aus dem Rahmen des Üblichen. Auf Schuberts Sinfonisches Fragment D-Dur D 936 A folgen die Lieder für Bariton und Orchester, komponiert in der Orchesterlied-Fassung nicht von Schubert, sondern von Brahms, der die klavierbegleiteten Lieder seines Kollegen im Stil des Jahrhundertendes bearbeitete. Singen wird der junge Bariton Matthias Goerne.
Nach der Pause folgte Brahms' Vierte Sinfonie e-moll op. 98. Durch die letzten beiden Darbietungen wird das Konzert im Sinne des einen Jubiläums auch noch zu einem wahren Höhepunkt des Hamburger Brahmsjahres. Spektakulär und intelligent, ohrenenttäubend und genußträchtig, nicht weniger als ein kleiner Blick in die philharmonische Zukunft.
Stefan Siegert
„Jubiläum und Premiere“, 3. Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, 21. Mai 1997, 20 Uhr, Musikhalle
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