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Das Blatt bin ich

■ Der Geschäftsführer der "jungen Welt" entläßt den Chefredakteur und inthronisiert sich kurzerhand selbst

Nicht einmal faxen dürfen sie noch. Die dürren Worte, mit denen die Redaktion die Absetzung von Klaus Behnken durch den Geschäftsführer Dietmar Koschmieder als „Putsch“ bezeichnete, kamen aus den Räumen der benachbarten Wochenzeitung Freitag. Die eigenen Faxgeräte hatte der neue Alleinherrscher weggesperrt.

Das SOS aus der Redaktion ist der vorläufige Schlußpunkt eines monatelangen Streits über die inhaltliche Linie der jungen Welt, den Chefredakteur Behnken und Geschäftsführer Koschmieder zuletzt öffentlich in der Jubiläumsausgabe vom 12. Februar ausgetragen hatten. Dort plädierte Behnken für einen Bruch mit der Tradition als FDJ-Blatt, während Koschmieder das Bekenntnis zur „antikapitalistischen Zeitung“ anmahnte. Heute beklagt er, daß die Ostkompetenz vernachlässigt worden sei: „Ich mußte handeln, um den drohenden Konkurs abzuwenden.“

Doch nur die wenigstens in der Redaktion glauben an wirtschaftliche Gründe für den „Aktionismus“. Der sei politisch motiviert, „um aus der jW ein Blatt mit politischer Nähe zur DKP und Kommunistischen Plattform der PDS zu machen“, so der stellvertretende Chefredakteur Martin Krauß.

Den wollte Koschmieder gleich mit absetzen, als er vor einigen Tagen sein neues Personalmodell zur Wahl stellte. Doch von 41 Wahlberechtigten waren lediglich 17 zur Abstimmung bereit, von denen – was Wunder – 14 für die Radikalkur votierten. Was andere als Farce bezeichneten, interpretierte der Geschäftsführer als klares Votum. In der gestrigen Konferenz erklärte er den Chefredakteur für abgesetzt und sich selbst kurzerhand zum kommissarischen Nachfolger.

„Pluralität unter linksradikalem Konsens“ nennt Koschmieder das, und für dieses Konzept soll der Chefposten möglichst bald neu besetzt werden – „am liebsten mit einer Frau von außen“. Behnken könne ja, wenn er Lust habe, den Feuilletonchef machen.

Das ist kaum anzunehmen, zu groß ist der Rückhalt für den Geschaßten innerhalb der Redaktion. Dort stoßen die undemokratischen Methoden mittlerweile auf Gegenwehr. Ein Redaktionsbeirat wurde gegründet, mit dem Ziel, den „Amoklauf“ des Geschäftsführers zu bremsen – was wohl auf eine Ablösung durch Auslösung hinausliefe.

Denn Koschmieder ist nicht nur Geschäftsführer der angeschlagenen Zeitung (ca. 15.000 Abonnements), sondern besitzt gemeinsam mit seinem Stellvertreter und ehemaligen Schwager auch den Großteil der Zeitung.

Als nämlich der Verlag gegründet wurde, hatte er sein eigenes Gründungskapital in Anteile umgewandelt, während das Geld anderer Unterstützer für laufende Kosten verwendet wurde. So vermochte sich denn auch Koschmieders Frau, ebenfalls als Bildredakteurin bei der jungen Welt, auf einer turbulenten Redaktionskonferenz kaum mehr zurückzuhalten: „Ihm gehört die Zeitung“, rief sie in die erstaunte Runde.

Ironie der Geschichte, daß sich Koschmieders größter Alptraum – die junge Welt verkomme zur „Mini-taz“ – heute bewahrheitet: In einer Teilauflage der taz wird sich die jW-Redaktion auf vier Seiten zu den Vorgängen erklären. So viel Auflage hatte sie lange nicht mehr. Oliver Gehrs

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