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■ „junge Welt“Der Kampf geht weiter

Kaum zu glauben, wer alles die junge Welt liest. Zum Beispiel Günter Reimann, von 1924 bis 1928 Wirtschaftsredakteur der KPD-Zeitung Rote Fahne, nun in New York wohnhaft und immer noch gut für einen Rat unter Genossen: „Wichtig ist ein Journalismusverständnis, das sich nicht sektenhaftes Einigeln, sondern Eingreifen und Veränderungen auf die Fahne schreibt!“ ließ er die zerstrittenen Mitarbeiter der jungen Welt im fernen Berlin wissen.

Dort scheint so recht niemand auf ihn zu hören: Die für das Wochenende geplante Schlichtung kam nicht zustande, und auch für die nächsten Tagen scheint eine Verständigung zwischen abgesetzter Chefredaktion und boykottierter Geschäftsführung ausgeschlossen.

Weiterhin halten große Teile der Redaktion die Räume besetzt, während die Fraktion um Geschäftsführer Koschmieder unbeirrt Sondernummern der jungen Welt druckt – die nun wieder aussieht wie anno 1947, als sie gegründet wurde. Denn nicht nur die Redaktion, auch die Rechte am modernen Layout sind dem Geschäftsführer inzwischen abhanden gekommen.

Aber besser eine Zeitung machen, die alt aussieht, als gar keine. Dieses Problem stellt sich nämlich der meuternden Redaktion, deren Guerilla-Organ Jungle World – zuletzt Beilage im Neuen Deutschland – wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht mehr täglich erscheinen kann. Statt dessen soll es nun am Freitag eine Wochenzeitung geben.

Nach Angaben des Schlichters Thomas Kuczynski war die Vermittlung gescheitert, weil Koschmieder und seine Mitarbeiter das Stillschweigeabkommen verletzt hatten, indem sie eine Wochenendausgabe der jungen Welt publizierten. Außerdem beschuldigte der stellvertretende Chefredakteur Martin Krauß den Vermittler der IG Medien, Andreas Köhn, vor und nach einem ersten Sondierungsgespräch als „Jobvermittler“ für die Gegenseite aktiv gewesen zu sein. Anstatt die Interessen der gesamten Belegschaft zu vertreten, habe der Gewerkschafter Streikbrecher angeheuert.

Wenn das bloß nicht der alte Reimann in New York erfährt.Oliver Gehrs

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