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„Komitees und Solidarität“

Wie sich die Redakteure der „jungen Welt“ ihre Rettung vorstellen, war eines der Themen einer Soli-Veranstaltung im Tacheles. Selbst Jutta Ditfurth ist ratlos  ■ Von Jens Rübsam

Jürgen Elsässer trägt ein Gurkenglas spazieren. „Spenden für die junge Welt“ – oder war es „Spenden für die jungle World“? – egal, Jürgen Elsässer schwingt das Gurkenglas durch das Tacheles, ein paar Groschen klimpern, und er, der Ressortleiter für besondere Aufgaben, wiederholt immer wieder sein Spenden-Sprüchlein. Heike Runge, die Redakteurin fürs Feuilleton, sieht schlecht aus und zündet sich die nächste Zigarette an. Klaus Behnken, der Ex- Chefredakteur, sieht auch schlecht aus; er lehnt sich an die kalte Tacheles-Wand, rutscht in die Hocke, raucht, na klar, und sagt vorsichtig, er wisse nicht, wie lange es die alte junge Welt noch geben wird, und ob es überhaupt wieder eine junge Welt mit ihm geben werde.

Klaus Behnken wurde vergangene Woche von Geschäftsführer Koschmieder abgesetzt. Mit ihm solidarisierten sich 21 von 24 Redakteuren. Die Räumlichkeiten in Treptow werden seitdem besetzt. Am Sonntag sind die Vermittlungsverhandlungen zwischen Koschmieder und den Ausgegrenzten gescheitert. Nun erscheint eine tägliche Notausgabe junge Welt mit einem Titelkopf aus dem Jahre 1947, acht Seiten dünn, produziert von Koschmieder, drei ihm verbundenen Journalisten und ein paar altbackenen Sekretärinnen, die ihren Namen jetzt ins Impressum tippen dürfen.

Es erscheint auch, unregelmäßig, eine jungle World, eine Verlautbarung der „überwiegenden Mehrheit der Redaktion“. Es wird erklärt, warum, wie und weshalb es zu dem Bruch?, Putsch?, Aufstand? kam. Elsässer: „Ein orthodox-kommunistisches Linienblatt, wie es Koschmieder repräsentiert, wird niemand lesen wollen.“ Am Wochenende soll eine 96seitige Sonderausgabe herausgebracht werden.

Am Montag abend hatten Jutta Ditfurth, Judith Demba (Bündnisgrüne) und Angela Marquardt (PDS) zur Soli-Party geladen. 100 Kids kamen ins düstere Tacheles, irgendwie herrschte Untergangsstimmung. Auf dem Podium ein smarter Elsässer und ein genervter Behnken. Im Publikum eine junge Frau, die wissen will, was sie nun tun solle. Abbestellen? Behnken weiß nicht so genau, was er antworten soll.

Später legt Elsässer ein Dreipunkteprogramm vor: Unterstützungskomitees und Soli-Aktionen in allen Stadtteilen. Aufrechterhaltung der Besetzung. Die LeserInnen sollen Koschmieder mit Abo- Kündigung drohen, wenn er sich nicht zusammenraufe mit der „überwiegenden Mehrheit der Redakteure“. Ein „Zweckbündnis“ forderte Jutta Ditfurth. Denn gegenwärtige gebe es in Deutschland keine andere linke Tageszeitung. Die taz sei nicht mehr links, und auch nicht das Neue Deutschland. Die taz sei ihnen zu angepaßt, sagen die junge Welt-Kids. Nur: Was heißt es denn heute, eine linke Zeitung machen zu wollen? Daß es die Macher der jungen Welt selbst nicht wissen, davon zeugt die gegenwärtige Richtungsschlacht.

Klaus Behnken verharrt in der Hocke an der kalten Tacheles- Wand. Ehrlich, ist die junge Welt zu retten? Behnken zuckt die Schulter. Er hoffe es. Aber...

DJ Tobias hat inzwischen aufgelegt. Mixt zwischen Kommunismus-Jungle den Tucholsky-Song „Der schlimmste Feind kommt aus den eigenen Reihen.“ Die Redakteure tummeln sich noch bis in die Nacht.

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