: Zweifel an der Wahrheitskommission
■ betr.: „Die Wahrheit hat verschie dene Farben“, taz vom 12. 5. 97
Mit einigem Befremden habe ich Eure Berichterstattung über die Wahrheitskommission in Südafrika gelesen. Habt Ihr schon vergessen, daß auch Ihr mal die Forderung der Menschenrechtsgruppen aus Argentinien und Chile „No al la impunidad“ (Nein zur Straflosigkeit) mit vertreten habt?
Ich finde es beeindruckend, was die Kommission in Südafrika zutage gefördert hat. Alles, was Südafrika-Gruppen immer befürchtet hatten, war jahrzehntelang grausame Realität in Südafrika. Hier kann ich aus Platzgründen leider nicht auf die Rolle derer eingehen, die diese Kommission heute von deutscher Regierungsseite loben. Sie haben schon die Apartheid verteidigt und gute Geschäfte mit ihr gemacht, wie sie es jetzt mit China oder dem Iran tun, oder sie haben Pinochet als Vorbild für den „Kampf gegen den Kommunismus“ (F.J. Strauß) gelobt.
In der Ablehnung dieser Haltung sind sich die taz-LeserInnen einig. Darum aber geht es hier gar nicht. Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen darf es nach Nürnberg niemals mehr geben. Was die Wahrheitskommission ans Tageslicht gefördert hat, ist Realität für Tausende von Opfern. Wie mag es ihnen jetzt gehen, wenn ihre Peiniger Amnestie erhalten, nur weil sie geständig sind?
Nach den Kriegsverbrecherprozessen von Nürnberg hat die internationale Staatengemeinschaft in vielen Beschlüssen und Resolutionen dargelegt: Nie wieder darf sich jemand auf Befehle, von wem auch immer, berufen, jede Verletzung von Menschenrechten muß von jedem Mitgliedstaat der UNO geahndet werden. Es kann und darf keine Entschuldigung mehr geben.
[...] Eine Wahrheitskommission hat meiner Meinung nach nur dann einen Sinn, wenn ihr Ziel die Aufdeckung der Verbrechen, deren rechtsstaatliche Verfolgung und nicht von vornherein die Amnestie der Täter ist. Amnestieren bzw. vergeben können nur die Opfer. Wer heute Menschenrechtsverletzern Straflosigkeit zusichert, ebnet den Boden für deren Nachahmer.
[...] Versöhnung kann es nur geben, wenn klar ist, wer Täter, wer Opfer ist, wenn die Täter und Hintermänner bestraft und Opfer, soweit überhaupt möglich, entschädigt wurden. [...] Wer Ladendiebe vor Gericht stellt, kann doch nicht im Ernst Folter ungesühnt lassen, nur weil der Täter geständig ist. [...] Barbara Hoffmann, Nürnberg
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