: Zugang nur für Betroffene!
■ Unerquicklicher Streit um Flughafenausbau: „ Wirtschaftsbehörde kann sich nicht in die Lage älterer Frauen und Kinder versetzen“
Nach der Mittagspause ist die Sporthalle Hamburg gespenstisch leer. Nur die 50köpfige Hardcore-Fraktion aus paragraphenverliebten Anwälten und masochistischen Bürgerinitiativen ist zurückgekehrt, um ihre Einwände gegen den Flughafenausbau mit der Wirtschaftsbehörde zu erörtern. Die übrigen 300 Fuhlsbüttel-Gegner haben bereits nach dem unerquicklichen Vormittag des gestrigen ersten Erörterungstermins die Nase voll.
2.000 Einwendungen von Anwohnern, Kommunen und Verbänden gegen die geplante Erweiterung um 23 auf 65 Flugabfertigungspositionen bis zum Jahr 2010 sind bei der genehmigenden Wirtschaftsbehörde eingegangen. Entsprechend groß ist das öffentliche Interesse, das im Namen der Türsteher nicht befriedigt wird: Kamerateams werden des Saals verwiesen, Presseleute zurückgedrängt. „Zugang nur für Betroffene!“
Anträge, Gegenanträge, aufgeregte Anrufe bei der Wirtschaftsbehörde. Solle ma se doch reinlasse? Ja, heißt es nach drei Stunden. Schnarchnasige Anträge zur Geschäftsordnung, gähnende Hinweise zu den Räumlichkeiten. Nicht ein einziger inhaltlicher Punkt über ohrenbetäubenden Lärm oder Verkehrsbelastung wird an diesem ersten Tag zur Debatte gestellt. Bloß ein Befangenheitsantrag gegen Diskussionsleiter Dietrich Hartmann-Heuer, zugleich Chef des Amts für Luftfahrt: Er hält die beantragten Ortstermine zur Begutachtung der „subjektiven Lärmbelastung“für unnötig. „Befangen!“, ruft das Publikum.
Die Sitzung wird unterbrochen. Per Fax bemüht man die Rechtsabteilung der Wirtschaftsbehörde. Stundenlang ist diese nicht in der Lage, über den Vorwurf des „unfairen Verfahrens“zu entscheiden. Das Theater um die Ortstermine geht derweil in den zweiten Akt.
Hartmann-Heuer: „Herr Köhler, sind die Ortstermine aus Sicht der Umweltbehörde notwendig?“Klaus Köhler, Fluglärmschutzbeauftragter: „Ich kenne die Verhältnisse vor Ort bestens, ich muß da nicht hin.“Rechtsanwalt Michael Günther: „Ich glaube, Sie verstehen das Problem nicht.“Einwender: „Lärmempfinden hat subjektiven Charakter.“Hartmann-Heuer: „Eben. Und als gesunder Mann mittleren Alters fällt es mir deshalb auch schwer, mich subjektiv in eine ältere, kranke Dame oder ein kleines Kind hineinzuversetzen.“Einwenderin: „Ihnen fehlt der Erfahrungszugang.“Günther: „Das möchte ich protokolliert haben, daß die Wirtschaftsbehörde nicht in der Lage ist, sich in ältere Frauen und Kinder hineinzuversetzen.“Hartmann-Heuer: „Ich bin halt ein Mann.“Günther: „Das ist nachvollziehbar.“Einwenderin: „Sie wissen also nur, was Männer Ihres Alters wollen. Das ist frauenfeindlich!“Hartmann-Heuer: „Ich finde das jetzt leicht bösartig.“
Hier unterbricht der taz-Redaktionsschluß. Fortsetzung unter %4667-2994 und 4667-2996 bei der Info-Hotline der Wirtschaftsbehörde. Heike Haarhoff
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