: Scientology im Regierungsviertel
Unweit des Amtssitzes von Bundespräsident Roman Herzog spekuliert eine der Scientology-Sekte nahestehende Immobilienfirma auf Bonner Beamte. Mieterverein, CDU und SPD fordern Gegenmaßnahmen ■ Von Eva Beisiegel
Die Bonner Besucher staunten nicht schlecht. Wie angewurzelt standen Hans-Dieter Raab und seine Frau Barbara (Namen geändert) vor dem Haus Spenerstraße 25/Melanchthonstraße 20 in Tiergarten. Nur einen Steinwurf vom Amtssitz des Bundespräsidenten entfernt blickte der Regierungsbeamte des Auswärtigen Amts auf Transparente: „Scientology verkauft unsere Wohnungen“ oder „Keine Mark den Scientologen“.
„Auf so etwas waren wir überhaupt nicht vorbereitet“, entfuhr es der Beamtengattin. Aber es sei ihr egal, wer die Wohnungen verkaufe. Das Noch-Bonner Ehepaar Raab ist auf der Suche nach einer Eigentumswohnung.
Erst seit kurzem wissen auch die Mieter der Spenerstraße 25, daß es sich bei den neuen Eigentümern ihres Hauses um eine scientology- nahe Firma handelt. Käufer des Altbaus ist die Firma „Timmendorf Concept Grundstücks Handels- und Vermittlungs GmbH“ (TCGG). Die TCGG ging nach Angaben der Mieterberaterin und Scientology-Expertin Ursel Dyckhoff aus der Firma des bekennenden Scientologen Leif Böttcher hervor, der „Timmendorf Concept Grundstückshandelsgesellschaft“.
Wie auch bei den anderen 40 bekannten Objekten scientologynaher Immobilienfirmen hat sich die TCGG vorgenommen, mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen Reibach zu machen – und setzt dabei auf Bonner Beamte wie Hans-Dieter Raab. Der Standort zwischen Schloß Bellevue und dem künftigen Innenministerium gegenüber den Mietern, schwärmte TCGG-Mitarbeiter Peter Krebs, sei in hohem Maße „wertsteigernd“. Krebs, ehemals stellvertretender Präsident von Scientology Berlin e.V., ist sich seiner neuen Kundschaft sicher: „Die Wohnungen werden wir ganz locker an die Bonner los.“
Haben die Geschäftemacher des Sektenkonzerns, die mit rüden Methoden nicht nur in Kreuzberg und Neukölln Mieter aufschreckten, jetzt auch das Berliner Regierungsviertel im Visier? Der nahende Regierungsumzug öffnet den Umwandlungsspekulanten von Scientology Tür und Tor. Bereits seit dem vergangenen Jahr können sich die Bonner in den „Berliner Zimmern“ der verschiedenen Ministerien einen Überblick über den Immobilienmarkt der Hauptstadt verschaffen. Die Angebote würden nicht auf einen Zusammenhang mit Scientology geprüft, bestätigte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Es sei Privatsache der Beamten, sich der Seriosität der Anbieter zu vergewissern. Neben den Wohnungsangeboten aus Berliner Tageszeitungen gibt es in den „Berliner Zimmern“ auch Angebote privater Eigentümer.
Klaus Kießling, Rechtsanwalt beim Berliner Mieterverein, möchte nicht länger hinnehmen, daß scientologynahe Firmen bereits in Bonn für ihre Umwandlungspraktiken werben. Kießling hat Kontakt mit dem „Referat für Wohnungsfürsorge beim Bundestag“ aufgenommen, um Informationen über die aktuellen Aktivitäten scientologynaher Immobilienunternehmen auszutauschen.
Unterstützung erfährt Kießling dabei auch vom parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Volker Liepelt: „Man muß jene davor warnen, die angesprochen sind – beispielsweise viele aus dem Bundesgebiet.“ Liepelt fordert, „nach Bonn zu schreiben, um zu sagen: Seid vorsichtig, hier habt ihr es mit Firmen zu tun, die zumindest in Zweifel stehen!“
Unterdessen hat der Baustadtrat von Tiergarten, Horst Porath (SPD), bereits gehandelt. Er hat den Antrag der TCGG auf eine Abgeschlossenheitsbescheinigung – die Voraussetzung für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen – für die Spenerstraße 25 wegen „mangelnder Antragsberechtigung“ abgelehnt. Das Unternehmen sei nicht einmal als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Eine Geschäftspraxis, die auch andere scientologynahe Firmen angewandt haben. Denn über den Verkauf der Wohnungen wird oftmals erst der eigentliche Kauf des Hauses finanziert. Porath weiß aber, daß er die Umwandlung allenfalls verzögern kann. Trotzdem will er den Mietern seine Unterstützung nicht verwehren: „Ich werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um die Mieter vor diesen Machenschaften zu schützen.“
Die Mieter sind entschlossen, ihren Protest fortzusetzen: „Wir haben die Hoffnung, durch unser Engagement die Kaufinteressenten abzuschrecken“, sagte Mieterin Patricia Bauermeister, „damit die TCGG die fällige Restsumme nicht zahlen kann.“ Außerdem hätten die Alteigentümer Interesse bekundet, den Verkauf wieder rückgängig zu machen, weiß Mieterin Marion Caspar.
Informationen über scientologynahe Firmen gibt es bei der Initiative „Mieter gegen Scientology“ jeden Mittwoch von 19 bis 21 Uhr unter der Nummer 6112263
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen