: Ohne Ost-Ghetto
■ Die "Woche" schafft die "Wochenpost"-Beilage ab
Jede Woche ein Knüller: In der letzten Ausgabe wurde Hera Lind in den schrillsten Tönen gelobt („die Karriere-Fee“) und zu allem Überfluß breitbeinig abgebildet – an diesem Donnerstag nun erwartet die Leser die nächste Überraschung: Ihr Wochenblatt ist wieder ganz das alte, die Wochenpost-Beilage verschwindet.
„Das haben viele unserer Leser als eine Art Ghetto für Ost-Themen empfunden“, sagt Chefredakteur Manfred Bissinger, der eine Neustrukturierung seiner Zeitung zum Anlaß nimmt, die ungeliebte „Sättigungsbeilage“ (FAZ) aus dem Heft zu werfen: In Zukunft sollen die Ost-Themen über das ganze Heft verteilt werden, weswegen die Ressorts „Politik“, „Wirtschaft“ und „Modernes Leben“ mehr Platz erhalten. Der Seitenumfang soll laut Bissinger beibehalten, wenn nicht gar erhöht werden. Auch die ehemaligen Wochenpost-Reporter Fritz Jochen Kopka und Jutta Voigt, die als einzige von der Woche übernommen wurden, werden weiterhin aus dem Berliner Büro in der Oranienstraße zuarbeiten.
Das Ende der Beilage war lange absehbar: Auch wenn Bissinger den ehemaligen Wochenpost- Abonnenten Ende letzten Jahres in einem Begrüßungsschreiben versprochen hatte, daß die Tradition der Wochenpost in Hamburg fortgeführt werde – so recht glauben wollte ihm das niemand. Denn von den ehemaligen Autoren wurde kaum jemand übernommen, statt dessen schrieben selbsternannte Ostexperten wie Peter Glotz die letzten Seiten voll. Einzig das Rätsel bot ein wenig Ostalgie. Das soll es auch weiterhin geben – als Insel im „Modernen Leben“.
Kein Wunder also, daß sich bei den Wochenpost-Lesern die Freude in Grenzen hielt, als plötzlich die moderne West-Woche im Briefkasten lag. Von den ehemals rund 26.000 Abonnenten sind mittlerweile nur noch 17.000 übriggeblieben. Wie erfolgreich die freundliche Übernahme wirklich war, läßt sich aber wohl erst Ende des Jahres sagen – wenn die letzten Wochenpost-Abos auslaufen.
Bei der Woche ist die Stimmung wenig optimistisch – auch wenn Chefredakteur Bissinger betont, die Auflagenentwicklung sei positiv. Noch nicht einmal zwei Leser weist jedes Exemplar der Woche auf – bei einer verkauften Auflage von rund 145.000 Heften (wovon allein 11 Prozent an Bord der Lufthansa landen) ist das ein geradezu abstruser Wert. Zum Vergleich: Spiegel und Focus werden im Durchschnitt fünfmal weitergereicht. Auch die Werbebranche ist nach der ersten Euphorie über die neue Farbigkeit in der Wochenpresse zurückhaltender geworden. Es bleibt fraglich, wie lange sich Jahreszeiten-Verleger Thomas Ganske das Hobby Wochenzeitung noch leisten will – zumal auch seine einstigen Goldesel Petra und Für Sie langsam ermüden. O.G.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen