: Unterm Strich
Berlin schämte sich. Berlin entschuldigte sich. Die BZ titelte zerknirscht: Slicha, Israel! Anlaß des öffentlichen Schamschubs war ein Kontrabassist der Deutschen Oper Berlin, der seine Getränkerechnung in einem Hotel in Tel Aviv in betrunkenem Zustand mit Adolf Hitler unterzeichnet hatte (siehe taz vom 2.6.). Die BZ ernannte den mittlerweile fristlos gekündigten Musiker erwartungsgemäß zum „Hexenmeister auf dem Kontrabaß“ und präsentierte seine Visitenkarte mit der Aufschrift „Unerhörte Tiefen“ – Indiz genug, daß es in den unteren Regionen des Bassisten- Unbewußten schon lange gewaltig gärt und schwärt. Bedenklich, daß der Mann lediglich zwei Bier auf der Rechnung hatte (Carlsberger) – mit dem Erscheinen Adolf Hitlers also schon unterhalb der 0,8-Promille- Grenze jederzeit gerechnet werden muß. Schlimmer noch, daß sich damit die Frage aufdrängt, wie es in anderen unbescholtenen deutschen Seelen aussieht. Sollte man ihnen sicherheitshalber jeglichen Alkoholkonsum im Ausland untersagen?
Das Gastspiel der Deutschen Oper in Israel erhielt in der Folge vernichtende Kritiken. Haarez schrieb: „Diese Oper – ob aus Berlin oder nicht – hat nicht viel zu bieten.“ Der Kritiker der Zeitung Yedioth Ahronoth ging sogar so weit, eine positive Besprechung von Verdis „Maskenball“ nachträglich zu revidieren – womit bewiesen wäre, daß Kritik mehr ist als nur privates Geschmacksurteil.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen