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Deutschland in Europa immer isolierter

■ Beim Luxemburger Treffen der EU-Außenminister droht Bonn aus Kostengründen mit der Ablehnung des "Beschäftigungskapitels" im neuen EU-Vertrag - und steht damit EU-weit fast ganz allein

Berlin (taz) – In der Neufassung der EU-Verträge soll es nach dem Willen der Bundesregierung keine kostenintensiven Beschäftigungsprogramme geben. Über eine entsprechende Passage im niederländischen Vertragsentwurf streitet Bonn derzeit beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg mit den europäischen Partnern.

Die Bundesregierung möchte im sogenannten „Beschäftigungskapitel“ des neuen EU-Vertrags einen Absatz streichen, nach dem der EU-Ministerrat „beschäftigungsfördernde Maßnahmen“ erlassen kann, die der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dienen. Damit könnte auf EU-Ebene verbindlich beschlossen werden, mehr Geld für Arbeitsförderung auszugeben. Die Bundesregierung sähe keinen Sinn in solch „kostenintensiven Beschäftigungsprogrammen“, erklärte gestern ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. In den skandinavischen Ländern, aber auch in Irland und Belgien, wurde nach Zahlen von 1995 ein größerer Anteil des Bruttosozialprodukts für Beschäftigungsförderung ausgegeben als in Deutschland.

Sollte der betreffende Absatz nicht gestrichen werden, äußerte sich Staatsminister Werner Hoyer (FDP) gestern in Luxemburg, werde die Bundesregierung dem Beschäftigungskapitel nicht zustimmen. In dieser Haltung wird Deutschland jedoch nach Aussagen von Diplomaten nur noch von Spanien unterstützt, das vor allem fürchtet, daß Gelder für eventuelle Beschäftigungsprogramme aus dem EU-Strukturfonds abgezogen werden könnten. Spanien und Deutschland sind die letzten beiden rein konservativ regierten EU- Länder.

Die Regierungen aller anderen Staaten sind grundsätzlich für eine aktive EU-Beschäftigungspolitik – auch Großbritannien. Zwar lehnt die neue britische Labour-Regierung ebenso wie Bonn Maßnahmen ab, die zum Geldausgeben verleiten könnten. Aber anders als Bonn droht sie nicht mit einer grundsätzlichen Ablehnung des Kapitels, sondern fordert eine explizite Förderung der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte. Wie der britische Außenminister Robin Cook am Montag in Luxemburg sagte, würde Großbritannien „diesen Teil des Beschäftigungskapitels sehr sorgsam ansehen, um sicherzustellen, daß wir den richtigen Wortlaut bekommen“.

Der neue EU-Vertrag, genannt Maastricht II, soll am 16. und 17. Juni bei einem Gipfel in Amsterdam von den 15 Staats- und Regierungschefs der EU-Länder verabschiedet werden. Mit einer endgültigen Entscheidung über das Beschäftigungskapitel ist erst zu rechnen, wenn Frankreich wieder mit einem Außenminister bei den Verhandlungen vertreten ist. Cook war gestern schon wieder aus Luxemburg abgereist und traf sich in Rom mit seinem italienischen Amtskollegen Lamberto Dini. Nach Presseberichten sucht Italien bei Großbritannien und bei der neuen Regierung Frankreichs Unterstützung für die Forderung, die Einführung des Euro um ein Jahr zu verschieben. BD/D.J.

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