: Familientreffen auf der Bühne
■ Old Hippies never die: Die dritte „Schneeball-Oper“ in der Ufa-Fabrik
Also: Vor der Organbank stehen die Mannschaftswagen. Und mit dem Überfall fängt der Krimi an.“ „Und der Cowboy?“ „Cowboy ist gestrichen. Aus dem Lärm gehen wir volle Kanne in den Gangsta-Rap.“ Backstage- Beratung im Theatersaal der Ufa- Fabrik. Drei der Musiker, einer im Arztkittel und alle in Gesundheitsschuhen, gehen noch einmal gemeinsam das Drehbuch durch, während der chinesische Kollege, auf der Matratze hockend, meditativ an seiner Pfeife zieht, dann ein wenig döst. Ich blättere derweil in Uwe von Trothas Drehbuch mit dem vielsagenden Titel „Die Schloßklinik, Nachtschwester Ingeborg schläft schon“.
Es sind die letzten Proben zu „Kein Thema“, der dritten sogenannten Schneeball-Oper, einer musikalischen Persiflage auf gängige Fernsehserien, die als revuehaftes Hörspielmosaik daherkommt. Ein unauffälliges DIN- A3-Plakat am Eingang, eine Schwarzweißkopie im handgemachten No-layout-Stil der frühen Achtziger, weist auf die Veranstaltung hin und listet die Beteiligten auf: Embryo, Argile, Checkpoint Charlie, Eugen de Ryck, Grace Yoon, Christian Schmidhofer, Eberhard Engel, Peter Krämer, Nikel Pallat, Rupi Volz. Insgesamt drängen sich bei der Probe an die fünfzehn Leute auf der viel zu engen Ufa-Bühne, und zwischen Keyboards, Gitarre und Schlagzeug sorgen allerhand ausgefallene Instrumente wie Sitar und Kora für seltsame Hintergrundgeräusche.
Alle Musiker verstehen sich schließlich als musikalische Weltenbummler: Zu Embryo, den Wanderern zwischen psychedelischem Krautrock und Ethno-Pfaden, ist zuletzt Xizhi Nie, Professor aus Peking, hinzugestoßen, der eine chinesische Geige und Scheng, eine Art Schalmei, spielt. Eugen de Ryck, der vor zehn Jahren bei Embryo reinschaute, verfolgt jetzt sein eigenes Ethno- Crossover-Projekt „Universal Supersession“. Und Argile kehrten gerade von einer Tour durch Guinea und Mali zurück.
Alle Musiker sind seit Jahren mit der Künstlervereinigung „Schneeball“ verbunden, und so hat das gemeinsame Projekt etwas von einem Familientreffen an sich.
Ins Rollen kam der Schneeball bereits vor 21 Jahren, als Gruppen wie Ton Steine Scherben und Embryo das erste unabhängige musikereigene Plattenlabel der Bundesrepublik gründeten. Anfang der achtziger Jahre entstanden aus diesem Zusammenhang zwei Bühnenwerke, die Schneeball-Opern. Der harte Kern von damals ist auch heute, mehr als ein Dutzend Jahre später, wieder dabei. Trotzdem will Christian Burchard, einer der Initiatoren des Projekts, nicht von Revival sprechen: „Wir wissen ja gar nicht, wer uns überhaupt noch kennt.“ Daniel Bax
„Schneeball-Oper: Kein Thema“ heute und morgen ab 20 Uhr in der Ufa-Fabrik, Viktoriastraße 10–18, Tempelhof
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