: Informatives Grußwort
■ PKK-Freunde vor Gericht: Was „Focus“ und „Stern“ dürfen, darf der „Kurdistan-Rundbrief“ noch lange nicht
Das Zensurverfahren gegen die Zeitschrift Kurdistan-Rundbrief geht in eine neue Runde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Anfang April einen Freispruch des Landgerichts Köln aufgehoben. Aus der jetzt veröffentlichten Begründung wird aber deutlich, daß das Verfahren nach wie vor offen ist – auch wenn der BGH offensichtlich die Daumenschrauben für prokurdische Presseorgane angezogen hat.
Der Prozeß gegen die in Köln erscheinende Soli-Zeitschrift war von höchster Ebene in Gang gebracht worden. Das Bundesinnenministerium hatte den verantwortlichen Redakteur Rüdiger Lötzer angezeigt, weil der Rundbrief das in Deutschland geltende Betätigungsverbot für die kurdische Arbeiterpartei PKK unterlaufen habe. Der konkrete Vorwurf: Im Juni 1995 sei eine Demo-Grußbotschaft von PKK-Chef Abdullah Öcalan in vollem Wortlaut abgedruckt worden.
Das Kölner Landgericht sprach Lötzer im August vergangenen Jahres frei. Die „Dokumentation“ des Grußwortes habe lediglich dazu gedient, „die Allgemeinheit über das Kurdenproblem zu informieren“ – und sei deshalb von der Pressefreiheit geschützt. Die mit dem PKK-Verbot verfolgten staatlichen Ziele seien demgegenüber nachrangig. Ausführlich listete die Kölner Staatsschutzkammer zudem andere Presseorgane auf, die ebenfalls den PKK-Chef im O-Ton zu Wort kommen ließen. Genannt werden etwa unbeanstandete Öcalan-Interviews in Focus und im Stern. Auf Revision der Staatsanwaltschaft hob der BGH jetzt das großherzige Kölner Urteil wegen „lückenhafter Feststellungen“ wieder auf. Die Vorinstanz hätte sich viel mehr mit dem „redaktionellen und journalistischen Zusammenhang“ befassen müssen, in dem das Grußwort erschien.
Prüfen muß das Landgericht nun, ob die Gesamttendenz des Kurdistan-Rundbriefs eine „propagandistische Zielrichtung“ zugunsten der PKK erkennen läßt, so daß die Zeitung gewissermaßen als deren „Sprachrohr“ fungiere. Wenn ja, muß Rüdiger Lötzer mit einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz rechnen. Ihm droht dann eine Geldstrafe oder Haft bis zu einem Jahr.
Ein erneuter Freispruch ist aber auch nach dem BGH-Spruch noch möglich. Straffrei sei die Dokumentation von PKK-Äußerungen nämlich dann, wenn sie im Zusammenhang mit „distanzierter kritischer Berichterstattung“ steht oder „Teil einer bewertungsfreien Dokumentation“ ist. Christian Rath
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