: „Leider ist gerade kein fähiger Mann im Haus“
■ Pohlmann ist kompetent, effizient, ideenreich. Aber er hat mächtige Feinde. Der kalt geplante Absturz eines Datenverarbeitungsspezialisten oder: Wie man Sündenbock wird
Damals, als er den Auftrag bei der Bank rettete, hatte ihm der Chef noch persönlich gratuliert. Die Bank hatte bei seinem EDV- Unternehmen neue Kartenlesegeräte und Bildschirme bestellt. Als die gelieferten Teile nicht paßten, bastelte Sven Pohlmann* mit neuen Anschlußteilen eine Zwischenlösung, die von allen Bankfilialen übernommen wurde. „Ich bekam eine Prämie“, erinnert sich der 49jährige DV-Spezialist wehmütig. Alte Zeiten. Heute muß er sich im Großraumbüro anhören, wie sein Chef den Kunden am Telefon erklärt: „Tut uns leid, leider gerade kein fähiger Mann im Haus.“ Pohlmann sitzt nebendran und dreht Däumchen vorm Computer.
Pohlmann ist abgestürzt, in der heimlichen Firmenhierarchie ganz unten angekommen. Nichts mehr ist übrig vom Image des zuverlässigen DV-Fachmannes, für dessen Arbeit sich der Blumenversand und die Handwerkskammer brieflich bei seinem Chef bedankten. Statt dessen zog ihn einer der Firmenbosse kürzlich zur Seite: Wenn er, Pohlmann, sich einen neuen Job suchen würde, im beiderseitigen Einvernehmen selbstverständlich, würde man die zwei Abmahnungen sofort zerreißen, ganz bestimmt, und ein super Zeugnis schreiben. „Aber eigentlich will ich gar nicht gehen“, sagt Pohlmann mit seiner monotonen Stimme und dem sanften Blick.
Wann sein Elend genau begonnen hat, ist nur noch schwer auszumachen. Vielleicht schon damals, als die Discountbank bei seiner Firma ein neues System bestellte. Am Abend nach dem Abschluß gingen die Geschäftsleute noch ein paar Bierchen trinken, Pohlmann war eher zufällig mit dabei. Zu vorgerückter Stunde erzählte er leicht angeheitert den Bankern, daß es, ehrlich gesagt, zu dem abgemachten Termin vielleicht doch nicht klappen würde mit dem neuen System. Die Programme seien noch nicht ganz fertig und sein Vorgesetzter auch nicht gerade bestens organisiert. „Der Vertrieb hatte denen doch nur was vorgemacht.“ Einige Zeit später bat ihn der Abteilungsleiter mit eisiger Miene „auf fünf Minuten“ zum Gespräch. Es endete mit Pohlmanns Umzug in eine andere Abteilung.
Auch dort blieb er Einzelgänger, ging nicht mit den Kollegen zum Kegeln und hatte als Alleinstehender zum Thema Familie und Eigenheim wenig zu sagen. Das war eigentlich kein Problem. Bis der Sanierungsbeauftragte kam. Ein Dutzend Leute sollten gehen. Pohlmann stand auf der Liste.
Ihm wurde keine betriebliche Weiterbildung mehr bewilligt, keine neuen Kunden mehr zu ihm durchgestellt. Als der Abteilungsleiter ihm schließlich nahelegte, seine Überstunden als Urlaub zu nehmen und dann zu verschwinden, beschwerte sich Pohlmann beim Betriebsrat. Der Abteilungsleiter mußte sich bei ihm entschuldigen. „So richtig mit Handschlag und hochrotem Kopf.“ Kündbar war Pohlmann nicht. Aber jetzt hatte er einen richtigen Feind.
Die Firma schickte ihn mit einem schlampig erstellten Programm im Rechner zum Kunden, Pohlmann brauchte Wochen für die Installation. Sein Einsatzleiter rief beim Kunden an: „Ist der Pohlmann überhaupt bei Ihnen, oder treibt der sich in der Kneipe rum?“ Irgendwann auf einer Geburtstagsfeier im Betrieb verschaffte sich der Gedemütigte Luft. „Ich sagte, mein Einsatzleiter fährt zu Unrecht ein Dienstauto, und eigentlich hat er doch sowieso keine Planstelle.“ Fortan wurde Pohlmann auch für die alten größeren Kunden nicht mehr eingeteilt.
Im Großraumbüro sehen die Kollegen jetzt morgens durch ihn hindurch. Oft geht er allein zum Mittagessen. „Wenn man jemandem gegenübersitzt, und er spricht kein Wort, das ist das Schlimmste.“ Pohlmann hat nichts mehr zu tun.
Er hat schon versucht, auf eigene Faust neue Kunden zu werben. Eines Tages tickerte daraufhin ein Auftrag über Fax ins Büro. Anderswo hätte Pohlmann damit Lob geerntet, aber hier nicht. Der Abteilungsleiter bat ihn zu sich, „auf die berühmten fünf Minuten“. „Er sagte, ich hätte keine Berechtigung für solche Kundenakquise. Ich würde der Firma Schaden zufügen.“
Pohlmann bekam eine Abmahnung, später noch aus nichtigem Anlaß eine zweite. Und mehrmals die Aufforderung, endlich den Job zu wechseln. Nicht so einfach für einen 49jährigen bei dieser Arbeitsmarktlage. Jetzt ist er bei der Mobbing-Beratung „Profile“ gelandet und denkt über sich und die Zukunft nach: „Die Lage ist verfahren.“
*Name von der Redaktion geändert
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