: Besitzer dreier Gürtel zählen sich zu den Größten
■ Nach dem Sieg des „vereinten“ Weltmeisters Dariusz Michalczewski über den Maske-Bezwinger Virgil Hill wähnt sich auch Box-Promoter Klaus-Peter Kohl endlich oben
Oberhausen (taz) – Es stimmt schon: Boxen malt Bilder. Bilder, die – Ästhetik revolutionierend – sich ins Gedächtnis pinseln auf ewiglich. Wie jenes vom Berufsboxer Dariusz Michalczewski, der durch einen Oberhausener Ring spaziert, zwei jener schmucken Gürtel um die Hüften, die Boxverbände ihren Weltmeistern zukommen lassen – und einen dritten um den Kopf schwingend.
Obwohl weit herumgekommen, wird Klaus-Peter Kohl nichts sehr viel Schöneres gesehen haben, das darf man annehmen. Der Hamburger Promoter, im Stadium der Genesung von einem Autounfall, geht heute in eine wunderbare Woche. Drei Gürtel, wer hat das schon? Daß sein Top-Angestellter Michalczewski nicht Halbschwergewichtsweltmeister der WBA, IBF und wie bisher WBO bleiben kann, ist klar. In allen drei Verbänden stehen dringliche Pflichtverteidigungen an, was jeder im Geschäft haßt, weil es dasselbe meist nur stört. Kohl wird also „mit allen möglichen Gegnern in Kontakt treten, und dann entscheiden, welchen Titel Dariusz niederlegt“.
Jener der IBF böte sich zuvorderst an. Dort hat ein gewisser William Guthrie eine richterlichen Beschluß, bis Mitte Juli um den Titel boxen zu dürfen. „Wer ist Guthrie“, fragt aber zu Recht Kohl. Im übrigen ist der IBF-Gürtel derjenige, welchen den Ex-Boxer Henry Maske dreieinhalb Jahre schmückte. Kohl hatte zwar stets einige WBO-Titel, doch ist die WBO bloß Branchennummer 4. Maske boxte für RTL und Kohls Konkurrenten Wilfried Sauerland – und sein IBF-Titel definierte das Geschäft. Es wäre angemessene Symbolik für den nunmehr klaren Marktführer Kohl nun so lässig darauf zu verzichten, wie auf einen erneuten Kampf mit dem verhinderten RTL-Helden Rocchigiani.
„Es ist“, sagte Kohl Samstag früh in Oberhausen um Pointierung bemüht, „nicht time to say goodbye bei uns, sondern time to say hello.“ Also: Maske war vor einem halben Jahr chancenlos gegen Hill (USA), Michalczewski aber hat den besten Halbschwergewichtler des letzten Jahrzehnts in dessen 24. Titelkampf abserviert (117:112, 116:113, 118:110). Hill (33) sagt treffend, seine Beine hätten ihn „betrogen“. Immer kommt der Tag, an dem ein Boxer merkt, daß er ein alter Mann ist. Hills linker Jab kam nur eine Runde, dann bestimme Michalczewskis linke Führungshand das Geschehen.
Daß der deutsche Staatsbürger (Börse: 2,5 Millionen Mark) besser sein würde als Hill (4 Millionen) war nicht unbedingt zu erwarten. Bisher war in zehn WBO-Titelverteidigungen der alte Rocchigiani härtester Gegner gewesen. Mit dem neuen Trainer Fritz Sdunek boxt er zwar nicht sehr viel variabler, aber klüger. Und er lebt professioneller. Hat regelmäßig Mittagsschlaf gehalten und war um zehn im Bett. Sowas zahlt sich aus.
29 ist Michalczewski (34 Kämpfe, 34 Siege), und Kohl hat ihm immer gesagt, die „großen Kämpfe“ würden ab 30 gemacht. „Ich bin jetzt der Größte, äh ... einer der Größten“, sagt der Boxer. „Wir haben eine große Zukunft vor uns“, sagt Kohl. Mit Sat.1, das den Kampf erstmals neben und nach Premiere (Einschaltquote: 5,87 Millionen) übertrug, hat man einen zusätzlichen potenten Partner, der Sachen möglich machen soll – selbst jene, den emeritierten Lebemann trotz unvorteilhaften Geburtsorts (Danzig) nach RTL- Vorbild zum Helden für die deutsche Fernsehfamilie zu erklären.
Michalczewski gibt, was er hat. Sohn Nicolas (6) ist es, für den er Ruhm und Gürtel einfährt. „Du mußt gewinnen“, pflegte nämlich der Sohn vom Vater zu fordern. Weshalb das kinoerprobte Bild des bittenden Sohnes den Boxer erfolgreich durch den Kampf geleitete. Wenn Dariusz Michalczewski solcherart seine samtene Seele vor der Welt offenlegt, kommen ihm beim Schnurren fast die Tränen. Es ist auch dies ein Bild – zum Weinen schön. Peter Unfried
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