: Virtuell gegen Rassismus
■ Das Computerspiel "Bren - Der Auftrag" der Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen konfrontiert Kids mit Rechtsextremismus und vermittel per Mouseklick Zivilcourage
Bren hockt gelangweilt in ihrer Wohnung. Plötzlich schreckt sie das Blinken der roten Taste unter ihrem Bildschirm auf. Sie knipst ihren Home Communicator an. Ein ihr unbekannter Staatsanwalt ist auf dem Schirm und bittet sie ins Gericht. Bren soll einen Mord aufklären. Sie schnappt sich ihren Taschenkommunikator und verläßt das Haus. Bren ist 18, hat knallrote Haare und das Glück, im 23. Jahrhundert, und das Pech, in einer finsteren Gegend zu leben.
In ihrer gutgesicherten Wohnung lebt sie umgeben von undurchdringlichen Häuserschluchten, durch die sich marodierende Kids ihren Weg bahnen. Auf Grund eines seltsamen Umstandes mußten die Menschen sich einst abschotten, sich vor „denen da draußen“ schützen. Inzwischen ist der Belagerungszustand beendet, aber immer noch nennen die Menschen, die hier leben, das Gebiet „die Zone.“ Bren ist neu in der Gegend und wundert sich, wie anders das Leben hier ist. Gerade deswegen hat der Staatsanwalt sie ausgewählt. Auf der Suche nach dem Mörder des Jungen Len trifft Bren auf zwei Anwälte und einen Journalisten. Mit deren Hilfe kommt sie Bor auf die Spur: Bor vertreibt rechtsextreme Computerspiele und hat, so Bren, „eine ziemliche Vorliebe für ein bestimmtes diktatorisches Regime des 20. Jahrhunderts“. Und Bor ist der Mörder. Sein Tatmotiv: Len wollte aussteigen.
„Bren – Der Auftrag“ ist auf den ersten Blick eins von vielen Computerspielen, vor denen Kids bis zu 20 Stunden am Stück hocken. Die Story legt nah, daß Bren kein ganz normales Spiel ist: Entwickelt wurde es von der RAA Berlin (Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule).
Die futuristische „Zone“ ähnelt beim genaueren Hinsehen fatal an Städte wie Eberswalde, Schwedt oder Wurzen. Die Menschen schauen weg, wenn um sie herum etwas geschieht. Die immer brutaler auftretenden Rechtsextremen rotten sich zusammen, beherrschen die Szene, schaffen „national befreite Zonen“. Die Verwaltungen finden sich weitgehend damit ab. Und Bren soll nicht nur den Mörder finden, sondern noch viel weiter zurückgehen: Als sie den Mord aufgeklärt hat, bietet die Richterin ihr an, sich in die Vergangenheit zu beamen und zu versuchen, die Tat ungeschehen zu machen. Bei dieser Zeitreise trifft Bren auf Len. Schnell erkennt sie, daß nicht nur er und Bor das Problem sind. Eine ebenso große Rolle spielt die Atmosphäre in der Stadt – die Kleinbürgerlichkeit, das Mißtrauen gegenüber anderen, die Gleichgültigkeit gegenüber Gewalt.
„Bren – Der Auftrag“ soll aber nicht in Schulmediatheken und Bildungszentren versauern. „Wir wollen auf den Markt der Computerspiele“, erklärt Sascha Wenzel, Erfinder des Spiels. „Bren soll auf Schulhöfen gehandelt werden – genauso wie andere Spiele auch.“ Denn ein großer Teil der gängigen Spiele ist „bestenfalls gewaltverherrlichend“, so Wenzel, „und schlimmstenfalls eindeutig rechtsextrem“. Laut Umfrage des Instituts für Jugendforschung kannte bereits 1993 etwa die Hälfte der Spieler mindestens ein „Nazispiel“.
„Bren – Der Auftrag“ will mit den gleichen Mustern, aber anderen Inhalten in den Markt einsteigen. Schon daß die Protagonistin weiblich ist, ist ungewöhnlich. Mit Hilfe der 18jährigen Bren sollen Zivilcourage vermittelt und allgegenwärtige Mechanismen innerhalb der Gesellschaft verdeutlicht werden. Das zu schaffen, ohne mit dem antirassistischen Zeigefinger zu winken, ist wohl das größte Verdienst der Erfinder. Jeannette Goddar
„Bren – Der Auftrag“ kann bestellt werden bei RAA, Schumannstr. 5, 10117 Berlin, Tel.: 2823079, Fax 2384303
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