Rundumschlag in der Sonne

■ In einem Sandspeedwaystadion in Scheeßel versammelt das Hurricane-Festival um INXS, Rammstein und Neneh Cherry 36 Bands auf zwei Bühnen

Bei einem Festival kann man ja so einiges machen. Zum Beispiel kann man sich in der Mittagssonne einige Liter Sangria zuführen, um dann den Tag mit dem Gesicht in der Lache zu verschlafen. Oder man sattelt Muttis Tupperware und die alte Kühltasche, um sich eine schattige Stelle unter den Boxen für ein Picknick zu sichern. Oder man zieht schnell sein T-Shirt aus und promeniert über das Gelände. Oder man hängt auf dem Parkplatz des Geländes herum, um dort mal richtig laut seine Kassetten zu hören. Letzteres ist inzwischen so beliebt geworden, daß Ford zusammen mit der Musikpostille Raveline eigens zu diesem Zweck ein Auto entworfen hat. Die tun was.

Das alles hat aber wenig mit den musikalischen Aufführungen zu tun. Macht aber auch nichts. Wer sich trotz alledem für eine der Bands interessiert, der sollte auch bei dem am Wochenende in Scheeßel stattfindenden „Hurricane-Festival“den Ablauf parat haben. Denn immerhin 36 Bands auf zwei Bühnen beschallen an beiden Tagen ein Stadion, in dem ansonsten Sandspeedwayrennen abgehalten werden. Da die Umbaupausen einkalkuliert wurden, kann der Musiksüchtige zwischen der Hauptbühne und einer Zeltbühne pendeln.

Den Anfang macht Weltempfänger, eine Band aus Hannover, die bei einem Wettbewerb die Jury der Musikzeitschrift ME Sounds überzeugen konnte. Danach geht es quer durch Stile, Länder und Absichten. Während sich die Männlichkeitsrituale von Ramm-stein und INXS als Headliner, aber auch feinnerviger Schwedenpop von Cardigans, unbehauener Grunge von L7 und Neneh Cherry auf der Hauptbühne tummeln, dürfte vor allem das kleinere Zelt für Experimente stehen.

Hier treibt die Theatralik von Mansun wuchernde Triebe in den Glam-Rock der neuen englischen Schule, und die Ex-Speedniggs frickeln unter dem dumpfen Bandnamen Sharon Stoned ihren wunderbar versierten Medium-Fi-Rock. Beendet wird der Samstag von den älteren Herren von Phish, die es mit ihrem relaxten Selbstbewußtsein nun doch zur verdienten Anerkennung gebracht haben. Tags darauf wird die Songwriterin Ani Difranco ihren engagierten Folk zelebrieren und 16 Horsepower aus Colorado mit rhythmischen Finessen und einem losgelassenen Sänger Country-Rock bis an seine brüchige Genregrenze ausdehnen.

Zu guter Letzt führt das Festival noch in die DJ-Culture ein. Das Duo Lamb friert seine feinsinnigen TripHop-Texturen ein und Daft Punk, die Pariser House-Innovatoren, bündeln Energien in ein bis dahin gewiß malerisch verwüstetes Gelände. Man sollte also bis zuletzt ausharren. Wem aber dieser musikalische Rundumschlag nicht entspricht, dem bleibt immer noch eine Landpartie und das zu erwartende Sonnenbad in der Menge.

Volker Marquardt Sa
21. Juni, ab 11.30 Uhr: Weltempfänger, Lecker Fischbrät, Manbreak, Hip Young Things, Thumb, Sharon Stoned, Chumbawamba, Armageddon Dildos, 311, Mansun, L7, Lightning Seeds, The Cardigans, The Inchtaboktables, Primus, Tiamat, Bad Religion, Phish, Rammstein So, 22. Juni, ab 11 Uhr: Rekord, The Jinxs, Cucumber Men, Peter Bruntnell, Deine Lakaien, Son Volt, Element of Crime, The Men They Couldn–t Hang, Fishmob, Ani Difranco, Neneh Cherry, 16 Horsepower, The Levellers, Lamb, Sheryl Crow, Daft Punk, INXS Anfahrt über A1 Richtung Bremen bis Abfahrt Wittensen oder bis Bahnhof Scheeßel (nur 900 Meter vom Festivalgelände entfernt)