: Schlumpis Quantensprung
■ Die Compagnie Maguy Marin amüsierte tänzerisch bei der Hammoniale
Der Anfang ist immer das Schwerste. Aber er ist wichtig. Der erste Eindruck, Auftritt, Satz entscheidet. Zwölf Tänzer betreten die Bühne, einer ergreift das Mikrophon: „Es gibt etwas, das ich nicht weiß, von dem ich nicht weiß, was es ist.“Ganz ordentlich, aber nicht genug. Also: zurück. Zwölf Tänzer verlassen die Bühne, einer legt das Mikrophon zur Seite: „Tsi se saw, ßiew thcin ...“. Der Film läuft rückwärts, aber der perfekte Anfang ist nicht auf der Spur. Die Compagnie erscheint suchend mit Taschenlampen. Die Compagnie Maguy Marin spielt.
Zwölf Jahre hat Marin ausschließlich klassisches Ballett getanzt, bis sie, „richtig angekotzt vom Schönheitswahn“, 1977 ihre eigene Gruppe gründete. Nicht ideale Form, reale Inhalte sollen ihren Tanz bestimmen. Sterbende Schwäne wurden abgelöst von plaudernden Gängen über einen imaginären Markt und den wesentlichen Fragen des Lebens: „Habe ich heute morgen das Gas abgestellt?“Innehalten, eine schnelle Drehung, Ortswechsel.
Die Choreographie Aujourd'hui peut-etre ist nicht elegant, doch leichtfüßig. Unangestrengt wird Alltägliches in Alltagskleidung getanzt und dabei immer als Bühnensituation kenntlich gemacht. Mit Humor werden Physikreferate in Bewegung umgesetzt, wie verlorene Raumteilchen schleudern Frauen, Männer machen große Quantensprünge. Schlumpihaft hängen die Köpfe schief, Gelenke schlackern, und doch gelingt Marin über das Fügen und Aufbrechen von Ensembleformationen eine staunenmachende Dynamik. Und großartig ist die Musik: drei Männer spielen von Cello und Klarinette bis zu Preßlufthammer und Wasserglas alles, was ihnen in die Finger kommt, und zwar jazzzig, schräg und rasselig-rhythmisch.
Aller Anfang ist schwer, ein gutes Ende aber nicht leichter. Die Choreographie hätte ihrs ein wenig eher finden können, denn für ein leichtes, unbedenkliches Sommerstück hätten auch 60 statt 90 Minuten gereicht.
Christiane Kühl
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