: Riesenfrau, Riesenstimme
■ Die junge Operndiva Alessandra Marc über Pasta, Pop und Pavarotti
Da sitzt sie auf dem Sofa und singt einfach los: „I got to be me. Who else can I be. I got to be me!“Und erzählt, daß das im Operngeschäft gar nicht so leicht ist.
Alessandra Marc ist eine gewaltige Person, eine Person, die gut und gerne den Platz von zweien einnimmt. Andererseits ist sie auch sehr zart und manchmal sogar ein wenig verzagt. Und dann, wenn sie singt, kommt die dritte Seite von Alessandra Marc zum Vorschein: eine Frau, die alles Beschwerliche abgeworfen hat und fliegt. „Singen ist für mich ein Liebesfest. Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich sehr konzentriert. Und die Gefühle, die beim Singen kommen, übergebe ich dem Publikum. Ich empfinde sie nicht selbst, koste sie nicht selbst aus, sonst würde das Publikum ja nur die Hälfte davon abbekommen.“
Alessandra Marc, 34, Tochter einer Berlinerin und eines US-Soldaten, kam vor ein paar Jahren „out of the middle of nowhere“, genauer gesagt aus einem Washingtoner Chor, auf die Bühne der Metropolitan Opera in New York und sang die Aida. Die Kritiker überboten sich gegenseitig: „Ausgesprochen selten und sehr kostbar: ein dramatischer Sopran ... Wahrscheinlich eine der bedeutendsten Frauenstimmen der letzten dreißig Jahre ... Und wenn sie nur ein Gramm weniger wiegen würde, hätte der Applaus sie an die Wand gedrückt.“
Seitdem ist Alessandra Marc eine „visible person“, wie sie sagt, eine Berühmtheit. Sie teilt ihren Manager, Herbert Breslin, mit Luciano Pavarotti. Und das heißt, ihre Karriere ist noch lange nicht zu Ende. Bestimmt auch, weil Alessandra Marc mehr will. „Ich möchte mit Annie Lennox singen. Weil ich Popmusik mag und Annie Lennox auch. Annie Lennox ist eine ziemlich einmalige Erscheinung in der Pop-Branche. Sie ist ehrlich zu sich selbst und mehr daran interessiert, gute Musik zu machen als viel Geld.“
Alessandra Marc ist auch eine ziemlich einmalige Erscheinung in der Branche. Sie liebt Motorräder, Ananas aus Hawaii, Rotwein aus Kalifornien, die Musik von Aerosmith und am meisten ihre 3jährige Tochter Olivia. Dazu ist sie Moralistin: „Ich hab' diese Wegwerfgesellschaft so satt, wo man nicht nur Dinge wegwirft, sondern auch Menschen. Alte Leute zum Beispiel. Wie kaputte Autos behandelt man sie.“Was sie auch nicht mag, sind mächtige Manager, die zu ihr sagen: Alessandra, Deine Stimme ist prima, aber so wie Du aussiehst, kommst Du mir nicht auf die Bühne. Das findet sie sexistisch. Pavarotti ist auch dick und mampft in aller Öffentlichkeit fettige Nudeln. Keiner stört sich daran.
Nächstes Jahr wird sie die Gay Games in Amsterdam eröffnen mitNessun Dorma, einer Tenor-Arie, die Pavarotti zur Fußballweltmeisterschaft 1990 gesungen hat. Alessandra Marc ist die erste Frau, die diese Arie singt. Und wieso Gay Games? „Viele meiner Freunde sind schwul, und das Operngeschäft ist insgesamt ein schwules Geschäft.“
Brigitte Neumann
Sonntag, 11 Uhr und Montag, 20 Uhr singt Alessandra Marc Beethovens „Missa Solemnis“in der Musikhalle. Es ist das Abschiedskonzert von Generalmusikdirektor Gerd Albrecht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen