: Vollblutschauspielerin mit Liebe zur Provinz
■ Die Mezzosopranistin Fredrika Brillembourg erhält heute in Bremen den Kurt-Hübner-Preis / Zwei Portraits
Wenn man so leicht von einer Vollblutschauspielerin spricht, bedenkt man normalerweise zu wenig, wieviel Arbeit und Können hinter einem solchen Eindruck steckt. Die Verleihung eines Preises kann dieses wieder deutlich machen: Die seit 1995 am Bremer Theater engagierte amerikanische Mezzosopranistin Fredrika Brillembourg erhält den mit 10.000 Mark dotierten Preis der Theaterfreunde Bremens. Der im vergangenen Jahr zum ersten Mal – an die Schauspielerin Gabriela Maria Schmeide – verliehene Preis wurde inzwischen nach Kurt Hübner benannt, und Kurt Hübner, der entscheidend den Ruf des Bremer Theaters geprägt hat, wird bei der Preisverleihung (am heutigen Montag) auch anwesend sein. „Wir ehren damit besonders Frau Brillembourgs Rollenleistungen der Charlotte in ,Werther' und Carmen, die sie nicht spielt, sondern sozusagen ist. In zweiter Linie ist mit der Preisvergabe aber auch das hohe Niveau des Musiktheaters gemeint“, so Axel Weber von den Bremer Theaterfreunden
Fredrika Brillembourg ist selbst ein bißchen erstaunt über ihren Erfolg. Sie ist in ihrem ersten Theaterengagement und hat ganz einfach ihr Bestes gegeben. „Es ist nie Dienst“, sagt sie, „einmal habe ich als Hänsel auf dem Boden liegen müssen und an die Decke geguckt. Da habe ich gedacht: Du hast ein so unglaubliches Glück, hier an diesem Theater dem Publikum die Musik, diese wunderbare Musik weitergeben zu können.“Daß sie dieses immer noch als wunderbar und nicht als selbstverständlich empfindet, hängt mit ihrer Biographie zusammen.
Im Elternhaus in Manhattan in New York wurde viel Musik gemacht. Mit der Schwester spielte sie Klavier und in der Schule „hat sie sehr laut gesungen“, so laut, daß die dortige Chordirektorin ihr empfahl, das Gesangsstudium in Angriff zu nehmen.
„Aber ich hatte am College erst einmal andere Interessen: Geschichte, Literatur, Philosophie...“Als sie sich dann doch für das Gesangsstudium entschloß, machte sie es privat. Warum? „Zu viele Fächer, die ich meiner Meinung nach nicht brauchte, und viel zu wenig Oper.“Sechs LehrerInnen hat sie „verbraucht“und zwischenzeitlich auch gedacht, sie sei Sopran. „Aber dann haben sie mir in einem Wettbewerb gesagt, mir fehle die Sopranfarbe, was stimmte. Erst später fand ich mein Fach: Die Frauen des Mezzosopranfachs sind alle interessanter“.
Dazu kam ein privater Schicksalsschlag: Nach einem wichtigen Vorsingen wartete sie auf den Anruf ihres Mannes. Der konnte nicht kommen, weil er beruflich unterwegs war. Am nächsten Morgen erhielt sie die schreckliche Nachricht von seinem tödlichen Unfall. „Und kurz danach kam der Anruf, daß ich engagiert sei“. Die Dramatik dieser Zeit sitzt tief, die Mutter eines knapp zweijährigen Kindes stand plötzlich vor dem Ende aller Perspektiven.
Viel Kraft tankte sie in Gesprächen mit ihrer Schwiegermutter aus Venezuela, „die konnte kämpfen“. Der bekannte Wagnertenor Tenor James King lud sie ein, in München an einem Meisterkurs teilzunehmen. Dann hatte sie die Wahl zwischen Ulm und Bremen, beide Male sang sie die Arie der Charlotte aus Massenets „Werther“vor, die Rolle, die jetzt neben der Carmen zur Bremer Preisverleihung geführt hat.
Fredrika Brillembourg ist der Typ der Singschauspielerin, die gerne mit Regisseuren arbeitet. „Christoph Loy (der Regisseur von ,Werther'; Anm. d. Red.) und dann Karin Beier (Regisseurin von ,Carmen') haben ein Potential in mir freigemacht, das ich selbst nicht kannte. Fantastische Erfahrungen. Für mich als Sängerin ist es wichtig, auch schauspielerisch gefordert zu sein.“Und für den bremischen Opernbesucher ein Erlebnis, solche zentralen Schnittstellen einer Karriere mitverfolgen zu können.
Wohin wird ihre stimmliche Entwicklung führen? Das hochdramatische Mezzofach – Brangäne, Kundry, Eboli – ahnt man schon. „Stimmt, aber ich bin da ganz vorsichtig. Man muß in diesem deutschen Opernbetrieb vor allem lernen, nein zu sagen zu Rollen, die überfordern. Da muß jede einzelne selber wissen, wie der Sitz ihrer Stimme ist.“Sie wird den Gluck'schen „Orfeo“singen oder Rossinis „Cenerentola“, doch ihr Traum ist Oktavian in Richard Strauss' „Rosenkavalier“. „Jede Rolle macht einen Druck in eine andere Fachrichtung.“
Sieben Rollen hat sie in zwei Jahren in Bremen gesungen. Sie, die New Yorkerin, liebt die kleine tolerante Stadt inzwischen, sie liebt das Ensembletheater, den Glücksfall der Zusammenarbeit mit Bruce Rankin, der ihr Partner in „Werther“und „Carmen“war und ist. Und privat? Fünfeinhalb ist jetzt ihr Sohn Gustavo. Freizeit bleibt da nicht viel und wenn, dann: „Lesen, Literatur, Kunst und Natur – Fahrradfahren im Blockland, in den Bergen wandern.“
Ein großer Teil ihres Könnens und ihrer Ausstrahlung beruht auf ihrer persönlichen Lebenssituation. Sie widerspricht nicht, staunt über alles, was kommt, und ist dankbar für das, was sie abgeben darf.
Ute Schalz-Laurenze
Verleihung des Kurt-Hübner-Preises heute um 20 Uhr im Schauspielhaus
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