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Unterm Strich

Irgendwie machtvoll und imposant klingt es, wenn der PC einem am Morgen, nachdem man das genau passende Codewort eingegeben hat, signalisiert: „Anmelden aller Laufwerke und Drucker“. Das hebt stark an! Da könnte ein Grünbein-Gedicht drauf folgen. Oder eine Rede von Roman Herzog. „Bürger und Bürgerinnen! Lassen Sie uns nicht länger zaudern. Die Globalisierung wartet nicht. Geben wir uns einen Ruck. Es wird Zeit, daß wir alle unsere Laufwerke und Drucker anmelden. Wer nur einen Eierwecker hat, macht eben den an.“

Der umstrittene Auftritt des ehemaligen stellvertretenden DDR-Kulturministers Klaus Höpcke bei der Stiftung Weimarer Klassik ist am Samstag mit Applaus bedacht worden. Protest blieb aus. Höpcke, dem Kritiker vorwerfen, zu DDR-Zeiten ein leitender Zensor gewesen zu sein, nahm in seiner Rede zum Thema „Nietzsche im Marxismus“ Stellung. Demnach hätten vor allem Wissenschaftspolitiker in der DDR die Herausgabe von Werken Friedrich Nietzsches (1844–1900) verhindert. Er selbst habe sich um ein Erscheinen von Schriften des spätbürgerlichen Philosophen bemüht.

Um die Blockade der wissenschaftlichen Verlage zu umgehen, sei der Druck in belletristischen Verlagen geplant gewesen (na klar: Die Geburt der Tragödie ist doch wohl glasklar ein Bildungsroman!), sagte Höpcke (Höpcke sagte nur das vor der Klammer), der seit 1990 in Erfurt Landtagsabgeordneter für die PDS ist.

Der Hallenser Philosophieprofessor Manfred Riedel hatte aus Protest gegen den Vortrag Höpckes seine Teilnahme an der Weimarer Nietzsche-Tagung abgesagt. Eine Sprecherin der Stiftung Weimarer Klassik hatte die Kritik Riedels zurückgewiesen. „In einem Streit um die Nietzsche-Rezeption könne man die Beteiligten, auch wenn sie heute nicht mehr gern gesehen werden, nicht außen vor lassen.“ Dies heiße nicht, daß die Stiftung hinter den Auffassungen Höpckes stehe. Höpcke sei als Vize-Kulturminister für die Publikationspolitik der DDR verantwortlich gewesen. Der in Weimar gestorbene Nietzsche wurde in der DDR als ideologischer Wegbereiter des Faschismus betrachtet.

Christa Wolf ist am Samstag für eine Lese-Performance (!) im Schauspiel Leipzig stürmisch gefeiert worden. Wolf las aus ihrem Roman „Medea. Stimmen“. Begleitet wurde sie von Musikern, die zum Text improvisierten. Der Maler Helge Leiberg malte während der Lesung mittels Projektionen auf dem Bühnenvorhang (!). Das Publikum nahm die ungewöhnliche Lesung mit Begeisterung auf und spendete minutenlang Beifall (!!!). Am Abend stand die Premiere einer Bühnenfassung von „Medea“ auf dem Programm. Beide Projekte waren Teil des Programms „Leipziger Kultur zum Kirchentag“.

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