: Die Weltbank entdeckt den Staat
In ihrem neusten Weltentwicklungsbericht geben die Weltbanker auf einmal zu, daß der freie Markt nicht alles ist, sondern daß er durch staatliche Regulierung ergänzt werden muß ■ Aus Bonn Uwe Kerkow
Ohne einen funktionsfähigen Staat kann es kein Wirtschaftswachstum und keine soziale Entwicklung geben – ganz zu Schweigen vom Schutz der Umwelt. Zu diesem Ergebnis kommt der 20ste Weltentwicklungbericht der Weltbank. Um Marktversagen auszugleichen und soziale Entwicklung zu gewährleisten, sei nicht nur ein „effektives kollektives Handeln auf nationaler Ebene erforderlich“, resümierte Ajay Chhibber, der Chefautor des Berichtes. Auch auf internationaler Ebene müßten Aufgaben wie Forschung, humanitäre Hilfe und Umweltschutz gemeinsam angegangen werden.
Zwar konzentrierten sich die Vertreter der Weltbank darauf, die Bedeutung des Staates als bloße „institutionelle Umwelt“ für eine wachsende Wirtschaft zu beschreiben. Stichworte wie Korruption, Kriminalität und unzuverlässige Rechtssysteme beherrschten denn auch die Veranstaltung zur Vorstellung des Berichts in Bonn. In einer groß angelegten Umfrage der Bank bei Unternehmen auf der ganzen Welt zeigte sich, daß die GUS-Staaten hier am schlechtesten abschneiden, gefolgt vom subsaharischen Afrika.
Schaut man jedoch genauer in das über 200 Seiten starke Papier, finden sich interessante Details, die darauf schließen lassen, daß sich die Einstellung der Banker zum Staat grundsätzlich zu wandeln beginnt. So hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, daß die wirtschaftlichen Erfolge der Tigerstaaten Asiens zum überwiegenden Teil einer geschickten Politik und einem gut geölten Staatswesen zu danken sind und nicht etwa dem freien Markt.
Der „Nachtwächterstaat“ hat bei der Weltbank keine Chance mehr. Zu den grundlegenden Aufgaben eines Staatswesens werden sowohl die Basis-Gesundheitsdienste als auch das „makroökonomische Management“ gezählt. Und selbst dieser „minimale Staat“ muß nach Ansicht der Banker die Armut bekämpfen. In einem nächsten Schritt geht es dann nicht nur um das Erziehungswesen, effektive Finanzinstitute und den Umweltschutz, sondern auch um die Einführung eines Kartellrechts, den Verbraucherschutz, um Sozialversicherungen und die Absicherung der Familie.
Der Staat soll nicht nur dort tätig werden, wo der Markt versagt – Marktversagen in bestimmten Bereichen wird hier stillschweigend vorausgesetzt. Die Regierungen haben darüber hinaus auch die Aufgabe, die Gleichheit ihrer Bürger zu fördern. Joseph E. Stiglitz, der Chefökonom der Weltbank, stellt Staat und Markt als gleichberechtigt nebeneinander: „Uns ist jetzt klar, daß sich Märkte und Regierungen ergänzen.“
„Unser Bericht ist kein Rezeptbuch“, stellt Chhibber klar, „auch wollen wir uns nicht an der akademischen Diskussion um den idealen Staat beteiligen.“ Doch in den Bereichen, die nicht vom Markt übernommen werden können, „müssen die öffentlichen Institutionen gekräftigt werden“.
Um die Verwaltungen zu effektiver Arbeit zu zwingen, müssen, so der Bericht, drei Voraussetzungen erfüllt sein: Es muß ein effektives Regelwerk existieren, das den Staat auch aus Bereichen heraushält, in denen er nichts verloren hat. Die Verwaltungen müssen einem gewissen Druck durch Wettbewerb ausgesetzt werden, und die Partizipation der Bürger muß gewährleistet sein.
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