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Powerfrau am Dirigentenpult und Missionarin für US-Musik

■ Die Amerikanerin Marin Alsop dirigiert zwei Konzerte beim „3. Sommer in Lesmona“der Deutschen Kammerphilharmonie

s ist wie im Bilderbuch: Vater Geiger, Mutter Cellistin, das zehnjährige Kind erlebt ein Konzert von Leonard Bernstein und sagt: „Das will ich auch. Ich will Dirigentin werden“. Der Wunsch wird Wirklichkeit: Zwanzig Jahre später erhält die New Yorkerin Marin Alsop den Koussevitzky-Dirigentenpreis und ist weitere zehn Jahre später Chefdirigentin des Colorado Symphony Orchestra. Außerdem hat sie große Orchester wie das Sidney, das Cincinnati und das Toronto Symphony Orchestra dirigiert, ihr Deutschlanddebut bei den Bochumer Symphonikern gegeben und ist jetzt in Bremen, um zwei Konzerte beim dritten „Sommer in Lesmona“der Deutschen Kammerphilharmonie zu leiten.

Trotz dieser verschiedenen Stationen ist Leonard „Lennie“Bernstein ihr Vorbild und Mentor geblieben. Sein Musizieren beschreibt sie fast unkritisch als charismatisch, als vollkommen von dem Herzen kommend. Einwände, daß Bernsteins großes Herz häufig nicht unbedingt mit den Vorschriften der Partitur in Einklang steht, sind ihr bekannt. Aber bei dem großen Meister läßt sie sie nicht gelten. So habe es keiner wie „Lennie“verstanden, Gustav Mahler populär zu machen. Aber – Gott sei Dank – hat Marin Alsop auch andere Vorbilder, so John Eliot Gardiner, und sie hat auch bei anderen studiert, so bei Seiji Ozawa.

Vom 4. bis zum 6. Juli gibt es beim „Sommer in Lesmona“in Knoops Park in Bremen-Lesum hauptsächlich amerikanische Musik. Die Deutsche Kammerphilharmonie will sich damit nach Angaben der Managerin Vera von Hazebrouck auf USA-Tourneen in den kommenden beiden Jahren einstimmen. Außerdem nutzt das Orchester die bei früheren USA-Gastspielen gemachte Erfahrung, daß amerikanische Musik gut zu Open-air-Festivals paßt. Und da war Marin Alsop die richtige, denn die an der berühmten Juilliard School zunächst an der Geige ausgebildete Dirigentin ist eine richtige Missionarin für amerikanische Musik: Über 140 Werke von 67 Komponisten hat sie bereits aufgeführt. Die Alsop – eine Powerfrau am Dirigentenpult und nicht nur dort.

Kaum war sie in Bremen angekommen, hat Marin Alsop schon gejoggt. Neben diesem amerikanischstens aller Hobbys hat sie keine Zeit für Nebentätigkeiten – für Familie auch nicht. Selbstredend gehört auch bei ihr zu einer Aufführung eine gründliche Vorbereitung. Sie studiert die Partituren sehr genau und liest die Biographien der Komponisten. Wieder tritt Bernstein auf: „Lennie hat immer gesagt, du sollst von jeder Note einer Biographie sagen können, weshalb sie dort steht“.

Es gibt Dirigenten, bei denen fast alles in den Proben passiert, und es gibt Dirigenten, bei denen der Augenblick der Aufführung den entscheidenden Kick für die Interpretation gibt. Wie ist es bei ihr? „Die Proben sind wichtiger als das Konzert“, sagt sie entschieden und räumt gleichzeitig ein, daß das nicht bei jedem Orchester funktioniert. Sie hat viel Jazz gespielt, „das hat meine Rhythmusantennen für die klassische Musik verändert“. Auf die Frage nach den Problemen weiblicher Dirigenten reagiert sie eher unwirsch. „Das sind heute keine mehr, und ich hatte noch nie Schwierigkeiten“. In Kursen, die sie gibt, sind 50 Prozent Frauen. Bernstein selbst allerdings hatte gesagt, bei ihr könne man nicht hören, ob eine Frau dirigiere. „Aber er gehörte eben zu einer anderen Generation. Es war ein Kompliment“. Wünsche? „Mahler, dritte und achte, und Oper, das hab ich noch nie gemacht. Am liebsten zuerst „Salome“von Richard Strauss“.

Doch davor steht der „Sommer in Lesmona“auf dem Programm. Im ersten Konzert – ausgerechnet – am 4. Juli, dem US-amerikanischen Unabhängigkeitstag, gibt es Aaron Copland, Charles Ives mit der berühmten „Unanswered Question“und Samuel Barber. Hinzu kommen in Amerika komponierte Stücke von Arnold Schönberg und Antonin Dvorak. Dazu interpretiert bei seinem Deutschlanddebut Stephen Prutsman das Klavierkonzert Nr. 1 von Dimitri Schostakowitsch. Im Konzert am Samstag, 5. Juli, wieder Aaron Copland, die Pulcinella-Suite von Igor Strawinsky und die Serenade für Solo-Violine und Orchester von – Leonard Bernstein. Sie wird gespielt vom ersten Konzertmeister der Berliner Philharmoniker Kolja Blacher.

Ute Schalz-Laurenze

Termine „Sommer in Lesmona“in Knoops Park in Bremen-Lesum: Orchesterkonzerte 4. und 5. Juli jeweils 20 Uhr, Samstag, 5. Juli, 15 Uhr „theater mimikri“mit dem Märchen „Hallo EtwaS – Ich bin AnderS“. Und Sonntag, 6. Juli, um 11 Uhr die Bläsersolisten der Deutschen Kammerphilharmonie und das Bläser-Ensemble „bach, blech & blues“.

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