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■ 75 Prozent der US-Bürger sind für die Todesstrafe. Eine kleine Gruppe von Gegnern erklärt die hohe Akzeptanz:

Sally Peck verlor ihre Mutter durch Mord. Sie wurde von Jugendlichen in einem Altenheim überfallen und von einer Sechzehnjährigen erstochen. Der Staatsanwalt von Indiana forderte 1989 in einem international aufsehenerregenden Fall die Todesstrafe. Die Strafe wurde umgewandelt und das Mindestalter für die Todesstrafe heraufgesetzt. Sally Peck gehört zur Gruppe „Gewaltopfer für Versöhnung“:

„Meine Mutter wäre nie mit der Todesstrafe für eine Jugendliche einverstanden gewesen. Die Popularität der Todesstrafe beruht auf Furcht vor Verbrechen und auf dem Wunsch nach Rache – und auf Unwissenheit. Rache wird den Überlebenden und der Gesellschaft als Schmerzmittel angeboten. Aber wie könnte Rache je unseren Schmerz lindern?“

Lois Robinsons Sohn Lary sitzt seit 14 Jahren in Texas in der Todeszelle:

„Die Dehumanisierung des Verurteilten spielt eine große Rolle. Es ist, als wolle die Gesellschaft mit der Todesstrafe das Böse exorzieren. Ich bin Lehrerin, und als Eltern erfuhren, daß ich die Mutter von Lary Robinson bin, wollten sie die Kinder nicht mehr in meinen Unterricht schicken. Erst als ich ihnen von der Schizophrenie und der psychiatrischen Leidensgeschichte meines Sohnes erzählte, wich ihre Furcht vor mir. Mein Sohn bekam ein Gesicht.“

Marietta Jaeger verlor ihre siebenjährige Tochter 1973 in Montana durch Entführung und Mord:

„Die Todesstrafe wird durch Geld und Machtpolitik am Leben gehalten. Die Entscheidung über die Todesstrafe fällt am Anfang und am Ende eines Verfahrens: durch den Staatsanwalt, der sie fordert, und den Gouverneur, der sie aussetzen könnte. Beide Positionen sind Wahlämter, und wer gewählt werden will, muß zeigen, daß er mit Härte gegen Kriminalität vorgeht. Für die Medien ist die Todesstrafe ein Geschäft. Sie inszenieren berühmte Fälle wie ein Drama. Sie machen aus dem Verurteilten ein Monstrum und aus dem Verfahren einen Kampf zwischen Gut und Böse. Durch das drohende Todesurteil erhält das Drama seine Spannung.“

Phyllis Pautrat arbeitet für amnesty international. Ihrem Vater hatte 1942 in der Ukraine die Erschießung gedroht. Er entkam, weil das Exekutionskommando ihn laufen ließ. Die drohende Erschießung hing ein leben lang über ihm – und seiner Familie:

„Ich glaube, Amerikaner akzeptieren die Todesstrafe, weil sie heute klinisch durchgeführt wird. Mit der Giftspritze ist das wie mit den sogenannten chirurgischen Schlägen im Golfkrieg.“

Rick Halperin hat als Kind in Alabama einen Lynchmord miterlebt und ist heute einer der exponiertesten Verfechter der Abschaffung der Todesstrafe in Texas:

„Die Akzeptanz der Todesstrafe entstammt der Epoche der Sklaverei. Ein Sklave konnte ebenso getötet wie eine Sache beseitigt werden. Und noch heute ist Rassismus das uneingestandene Motiv für die Todesstrafe. Das Stereotyp des Mörders ist ein Schwarzer Mann, und insgeheim wünschen viele Weiße die Beseitigung des Problems der schwarzen Kriminalität durch die Beseitigung der Schwarzen – nur würde das niemand so sagen. Gerade Texas versteht sich als quasi souveräner Staat mit eigener Gerichtsbarkeit, die in der Tradition der Pionier- und der Selbstjustiz steht.“ Peter Tautfest, Washington

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