Einundzwanzig Nieten für einen guten Zweck Von Susanne Fischer

Ich nenne es mein Donald-Gustav- Problem. An einem Sommersonntag eiere ich auf meinem quietschenden, schäbigen Fahrrad bei leichtem Nieselregen quer durchs Dorf Richtung Schwimmbad. Seit Ökonomie und Politik die Bauern fest im Würgegriff halten, satteln immer mehr um, zuletzt hat Kruse einen Fahrradverkauf in seiner Scheune eröffnet. Infolgedessen kann man unter einer traurigen lilafarbenen Kreppapier-Schleife Kruses Tochter beim Würstchengrillen beobachten. „Tag der offenen Tür“ steht in krakeliger Handschrift auf einem Plakat, aber kein Besucher weit und breit, der sich erbarmen könnte. Modernes Marketing in der Provinz.

Haha! sage ich zu mir, so ein Loser-Event. Angebrannte Würstchen im Regen, da kommt doch kein Mensch. Nieselwetter ist was fürs Schwimmbad. Und schwupps! bin ich bei Kruses vorbei und denke mir nichts Böses.

„Haha!“ sagt drei Tage später meine neue Nachbarin zu mir, die erst seit einer Woche in unserem Dorf wohnt, „rate mal, wo ich am Sonntag gewesen bin!“ Die Arme, denke ich, als wir neu hier waren, sind wir auch mal aus Versehen zum Tag der offenen Tür bei der Freiwilligen Feuerwehr gekommen und waren dann allen stundenlang peinlich, sogar uns selbst, bis wir nach fünf Minuten gegangen sind. „Hier!“ ruft sie stolz und zeigt auf ein nagelneues Mountainbike, an dem ein Zettel prangt, auf dem in krakeliger Schrift eine „Eins“ gemalt ist. „Habe ich in der Tombola bei Kruses gewonnen.“

Im Comic bleibt Donald jedenfalls der Sympathische, wenn auch Gustav Daisy auf seinem neuen Mountainbike zu den hipsten Events in Entenhausen kutschieren kann. Im Leben bleibe ich immer nur die Doofe. Dabei kann man nicht sagen, daß ich Gewinn- Gelegenheiten planmäßig verpassen würde. Bei der Tombola zur Rettung des Freibads habe ich bestimmt 20 Lose gekauft, „für den guten Zweck“, wie ich allen ungefragt versicherte. Nach 20 Nieten hatte ich wirklich eine Gewinnnummer. Den Heimwerker-Gutschein über 50 Mark von Holz- Hansen („an unsere Schrauben können Sie glauben“) haben wir dann doch lieber nicht eingelöst.

Natürlich gewinnen alle außer mir immer etwas Schönes. Eine Freundin erhielt von einer Schokoladenfirma sogar ein nagelneues Auto, obwohl sie keinen Führerschein hat, und nur, weil sie den Markennamen buchstabieren konnte. Schon weisen mich Statistiker und Psychologen im Chor darauf hin, daß nur ganz wenige etwas gewinnen, die damit aber um so mehr auffallen. „Niemand erzählt, wie er immer nichts oder nur etwas Blödes gewinnt“, erläutert mir der Wahrnehmungspsychologe, „das ist doch viel zu peinlich und zu langweilig!“ Da fliegt er aus meiner Kolumne und der Statistiker gleich hinterher, der mir erklärt, meine Chancen für den Gewinn einer Tafel Schokolade beim Preisausschreiben einer Autofirma ständen gar nicht so übel.

Inzwischen war Tag der Offenen Feuerwehr-Tombola. „Haha!“ rufe ich meiner neuen Nachbarin zu, „rate mal, was ich gewonnen habe! Ein Fahrrad...“ „Ehrlich?“ keucht sie, ein wenig unglücklich, wie es scheint. „Ein Fahrradpflegeset!“ prahle ich, „ich leihe es dir gern!“ Und schon sackt sie vor Neid in sich zusammen. Oder doch wegen des Ölfläschchens, das auf ihrer Stirn landet?