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Nur städtebauliche Schminke, kein Lifting

Das Arbeiterviertel Rothenburgsort muß dringend saniert werden – aber wie?  ■ Von Heike Haarhoff

Der Wiederaufbau erfolgte in beeindruckendem Tempo. Schuppen, Lagerhallen, backsteinrote Häuserblöcke, Schulen, Läden, Straßen – Ende der 50er Jahre war das kriegszerstörte Arbeiterviertel Rothenburgsort wieder das, was man einen Stadtteil nennen kann. Einen provisorischen zumindest.

In der Eile kam es darauf an, die ausgebombten Menschen kostengünstig unterzubringen. Da spielte es keine Rolle, daß die Häuser nicht aus hochwertigem Baumaterial und Fenster bloß einfach verglast waren. Niemand störte sich daran, daß Ofenheizungen rußten, der einst baumbestandene Marktplatz mit Pavillonläden zugepflastert wurde und Lkws durch die Wohnstraßen zu den Speditionen und Fuhrunternehmen brettern durften. So war eben „die Zeit“, berichten ältere Rothenburgsortler.

„Das Problem ist, daß sich bis heute nichts geändert hat“, führte Marion Hartung vom „Interessentenkreis Rothenburgsort“gestern durch das Industrieviertel. Die Insellage zwischen Bahngleisen im Norden, Elbbrücken im Westen, Billwerder Bucht im Süden und Autobahn im Westen ziehe „nur noch die an, die auf billigen Wohnraum angewiesen sind“. Mehr als ein Hauptschulabschluß ist in Rothenburgsort nicht möglich. Viele Geschäfte tragen sich mit Abwanderungsgedanken. Geld fehlt, um den Marktplatz zur Ortsmitte oder den Wasserturm öffentlich nutzbar zu machen. „Unerträglich“, so Hartung, seien auch Bauzustand und Wohnsituation in der Marckmannstraße: Dort liegt das Zollamt Hamburg-Oberelbe, „das nachts gern auf Umwegen von Lkws angefahren wird“, erzählt Ingo Böttcher vom Interessentenkreis.

Daß sich etwas tun muß, weiß auch die Stadt. 1995 beauftragte sie die Bremische Gesellschaft für Stadterneuerung, zu untersuchen, ob Rothenburgsort sich als „Sanierungsgebiet nach dem Baugesetzbuch“eigne. Ja, lautete die schlichte gutachterliche Antwort. Viele im Stadtteil jubelten: Im Sanierungsgebiet wird Gebäudemodernisierung bis zu 85 Prozent staatlich gefördert. Im Gegenzug garantieren Hauseigentümer günstige Mieten. Mitbestimmung der Bevölkerung ist laut Satzung Pflicht, Luxusmodernisierung verboten.

Doch Sanierungsgebiete kosten extrem viel Geld. St. Pauli-Nord beispielsweise, ein sehr großes Gebiet, wird 70 Millionen Mark verschlingen. Die Stadtentwicklungsbehörde aber ist in Geldnöten; deshalb will sie den Senat am Dienstag um Zustimmung zur Sanierungsvariante „light“bitten. Rothenburgs-ort bekäme dann „nur“Revitalisierungsmittel, mit denen sich das „Wohnumfeld“(Plätze, Straßen, Pflanzenkübel, Wegweiser) kosmetisch verschönern ließe. Neun Millionen Mark umfaßt dieser Topf jährlich – teilen müssen ihn sich 21 „Revi-Gebiete“. Gebäudesanierung ist nicht enthalten, sondern muß jeweils gesondert bei der Baubehörde beantragt werden. „Revi-Mittel sind nur ein Trostpflaster“, Böttcher hofft, daß auch der Senat das einsehen möge, „auch wenn wir vielleicht nicht die beste politische Lobby haben“.

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