Die Vorschau: Krach-Art unter der Discokugel
■ Wo die Beats zählen: "hirn bein rennt" serviert "brachiale Meditationen" im Römer
Unpassendes zur normalen Disco-Routine bietet der Römer heute in seinem Vorabendprogramm. „hirn bein rennt“sind angekündigt und versprechen, verrückte Dinge zu tun. Die ausgefeilten Soundimprovisationen der Bremer Formation sind eigentlich schwer vorstellbar zwischen Disco-Kugel und ordinärem Flipper-Geblinke. Deshalb wird das übliche Ambiente wohl dran glauben müssen, wird der Raum des Tanzflur-Institutes umgestaltet zu Gunsten eines ganz speziellen Konzert-Erlebnisses.
Neue Definitionen von Raum, Klang und Farbe wollen „hirn bein rennt“entstehen lassen. Mit Schlagzeug, Gitarrenhälsen, Didgeridoo und Samples gehen die drei Herren dafür zu Werke. Das ist keine Musik, die von der Straße kommt, sondern eher nach staubigen Übersee-Urlauben und einer künstlerisch-intellektuellen Weltsicht klingt. Als „brachiale Meditationen“bezeichnet die Gruppe selbst, was sie da tut. Auf einen nervenzerfetzenden Noise-Core a la „Zeni Geva“beziehen sie sich und nicht etwa auf jenes Ethno-Sentiment, das dem Didgeridoo normalerweise zugeordnet wird.
Doch statt Krach- vernimmt man bei „hirn bein rennt“vornehmlich Klangcollagen und das meditative Element steht bei den Improvisationen sicherlich im Vordergrund. Bei einem Auftritt in der Gesellschaft für aktuelle Kunst in der Weserburg wurde das Publikum dennoch nicht geschont: Schmerzhaft war manche Rückkopplung, dann wieder markerschütternd leise das Bass-Tremolo. Statt Beats pro Minute zählt man sinnvoller die Beats pro Abend, denn obwohl das Schlagzeug drängeln möchte, funktioniert das Didgeridoo im Rhythmus der Herz-Lungenmaschine. Und die Gegensätze brechen sich noch weiter, wo Alltagsgeräusche aus dem Mischpult gefeuert werden.
Ein letztes Mal gastiert die Band heute in Bremen, bevor ihr Mann am Holzrohr wieder nach Übersee entschwindet. Da wird man sehen, ob der Soundtrack zum Kunstgedanken auch außerhalb der Kunstwelt funktioniert.
Helene Hecke
„hirn bein rennt“, heute, 10. Juli, um 20 Uhr im Römer
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