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Keine Banalitäten

■ Evelyn Künneke: Eine Bühnenpersönlichkeit nahm im Schmidt's Abschied Von Jörg Königsdorf

Die Künneke kennt fast jeder. Und fast jedem ist es auch ein bißchen peinlich. Verrät es doch die eigenen destruktiven Langeweile-Phasen, in denen man sich die HörZu durchliest oder in Sendungen wie den ZDF-Fernsehgarten hineinschaltet.

Denn dort wird sie seit nunmehr zwanzig Jahren unverdrossen als Star präsentiert. Und dabei hätte Evelyn Künneke eigentlich Besseres verdient gehabt, wie sie am Montag abend bei ihrem Abschiedsgastspiel im Schmidt's noch einmal unter Beweis stellte. Denn sie besitzt etwas, das die meisten ihrer Kollegen vergeblich zu erreichen versuchen: eine Bühnenpersönlichkeit, die durch alle Stücke scheint und die jeden noch so banalen Schlager zu etwas Besonderem macht.

Und dabei ist das Ambiente auch diesmal noch eher bescheiden: ein kleines, mäßig gefülltes Reeperbahn-Theater, und dann diese 74jährige Frau, die auf die Bühne humpelt, um zum Playback-Band zu singen. Von der glitzernden Vamp-Verkleidung ist nur noch die Federboa geblieben, und auch diese wird schnell auf dem Kulissen-Bartresen deponiert.

Und doch, die Würde, mit der sie all dies erträgt, nichts zu verheimlichen sucht, nur um auf der Bühne zu stehen, um in ihren Liedern aufzuleben, ist unmittelbar anrührend. Da ist es gleich, ob sie ihre alten Hits Revue passieren läßt oder Titel aus ihrem neuen und letzten Album Wenn ich einmal wiederkomme vorstellt; man glaubt ihr einfach, was sie singt.

Am stärksten wirken bei derart sentimentaler „The Entertainer“-Grundstimmung naturgemäß die langsamen, verinnerlichten Nummern wie „Das war Rudi Kowalski“ oder „Am Morgen danach“, während die Zugstücke „Egon“ und „Winke-Winke“ echte Schlagerqualitäten aufweisen.

Highlights der neuen CD sind sicherlich der Antifa-Song „Der Teufel ist wieder im Land“ und die fetzige NDW-Zugabe, die die Künneke ihren Fans schenkte: „Hoppe, hoppe Reiter, ein bißchen Spaß muß sein, wenn er kommt, dann schreit er, und dann schläft er wieder ein.“ Wer nicht da war, der hat Pech gehabt, dem bleibt nur die Hoffnung, daß sie vielleicht doch nicht ganz aufhört, die Evelyn.

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