: SPD: Kein Nachgeben beim Wahlrecht
■ Kuhbier: Alles Ablenkungsmanöver / Kritik aber auch SPD-intern
Kämpft hier David gegen Goliath oder wird eine Kooperationslapalie zur Schicksalsfrage erhoben? Die von Statt Partei-Chef Achim Reichert gestern erneut geäußerte Drohung, die Kooperation im Falle eines Einstimmen-Wahlrechts zum Platzen zu bringen, läßt die SPD ziemlich kalt. „Hier wird etwas nachträglich hochstilisiert“, charakterisierte SPD-Landeschef Jörg Kuhbier die Aufregung um das wahre demokratische Wahlrecht gegenüber der taz. Die Statt Partei hätte laut Kooperationsvertrag keinen Anspruch auf ein SPD-Votum zugunsten des Zweistimmen-Wahlrechts. Daß der kleine Kooperationspartner ein für ihn vorteilhaftes Zweistimmenwahlrecht favorisiere, sei legitim, habe aber mit „mehr Demokratie“ nichts zu tun.
„Die SPD sollte in dieser für sie wichtigen Frage keine Zugeständnisse machen“, so Kuhbier. Über Drohgebährden und „Spekulationen“ bezüglich möglicher zukünftiger Koalitionen wird der SPD-Chef gar richtiggehend ärgerlich: „Alles Spielchen“, schnaubt Hamburgs oberster Sozialdemokrat, „Ablenkungsmanöver, um von den wahren Problemen dieser Stadt abzulenken.“
„Keine Veranlassung zum Nachgeben“ sieht auch Jan Ehlers, stellvertretender SPD-Fraktionvorsitzender. Eine Gefahr für das Bestehen der Kooperation sieht er „überhaupt nicht“. Die „unverkennbaren Meinungsverschiedenheiten“ bedürften der Klärung, auch wenn „Drohungen immer ein schlechter politischer Weg sind, um wieder aufeinander zuzugehen“.
Die über Bürgermeister Henning Voscheraus Äußerungen arg verschnupfte Statt Partei kann Ehlers zwar verstehen. Schließlich sei die politische Todeserklärung „nicht gerade freundlich gewesen“. Trotzdem hält er eine Auflösung des Kooperationsvertrages für äußerst unwahrscheinlich. „Eine Aufkündigung würde immer der stärkeren Partei angelastet“, so der SPDler, und das wäre für seine Partei eine schlechte Ausgangslage.
Die nach außen hin zur Schau getragene sozialdemokratische Meinungsidylle trügt jedoch. Nicht überzeugt über den Demokratisierungseffekt des geplanten Einstimmen-Wahlrechts – auch im Hinblick auf ein zukünftiges AusländerInnenwahlrecht – ist offenbar der SPD-Abgeordnete Hakki Keskin. Im Verfassungsausschuß enthielt er sich der Stimme, will aber öffentlich keine Stellungnahme abgeben, um den SPD-internen „Entscheidungsprozeß“ nicht zu gefährden.
Deutlicher wurde hingegen der Altonaer Kreisdelegierte Michael Sachs: „Einen Kandidaten auch unabhängig von seiner Partei wählen zu können“ – wie beim Zweistimmen-Wahlrecht möglich – sei ihm wichtiger als „ein parteitaktischer Zug“. Das gemeinsame SPD-CDU-Votum im Verfassungsausschuß sieht Sachs außerdem als Warnzeichen in Richtung große Koalition. Silke Mertins
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