: Bioethik mit Schlupflöchern
Ein internationales Verbot für das Klonen wird es aller Voraussicht nach nicht geben ■ Von Wolfgang Löhr
Das Angebot ist im Internet zu finden. Rund 200.000 Dollar soll es kosten, sich selbst oder einen Angehörigen klonen zu lassen. Zwar ist immer noch unklar, ob das Experiment mit dem geklonten Schaf Dolly überhaupt wiederholbar ist, doch das kümmert die auf den Bahamas angesiedelte Firma Valiant Venture ebensowenig wie die weltweit geäußerten ethischen Vorbehalte gegen das Menschenklonen. Clonaid, so nennt das von einer Ufo-Sekte gegründete Unternehmen seinen Service, steht jedem zur Verfügung, vorausgesetzt er hat das nötige Kleingeld. Ob das Vorhaben des Entzeitideologen und Sektengründers Rael (Claude Vorilhon), der davon ausgeht, daß die Menschheit von extraterrestrischen Wesen auf der Erde ausgesetzt wurde, jemals realisierbar sein wird, hängt auch davon ab, ob eine internationale Konvention gegen das Klonen von Menschen zustande kommt.
„Den geklonten Menschen darf es nicht geben“, ließ Forschungsminister Jürgen Rüttgers verlautbaren, nur wenige Tage nachdem das Experiment mit dem geklonten Schaf Dolly weltweit für Wirbel sorgte. Und sein für Landwirtschaft zuständiger Kollege Jochen Borchert meinte gar, der Mensch dürfe sich nicht zum Schöpfer einer biotechnisch manipulierten Tierwelt machen. „Nein, ich halte das Klonen von Tieren – wie wir es in der neuen Dimension von Dolly erleben“, so Borchert, „für nicht vertretbar.“ Ein internationales Verbot müsse sicherstellen, daß es keine geklonten Menschen geben wird, so der allgemeine Konsens.
Doch kaum hatte sich die weltweite Empörung über das geklonte Schaf etwas gelegt, wurden die Stimmen lauter, die das Klonen zum Nutzen der Menschheit einsetzen wollten: Organe aus der Retorte könnten Leben retten, Erbkrankheiten wie Cystische Fibrose könnten mit dem Klonen verhindert werden. Die Forderung, das Klonen auch bei Tieren zu verbieten, ist schon so gut wie vom Tisch. In der Stellungnahme der bei der EU-Kommission angesiedelten Ethik-Beratergruppe, die ihre Empfehlung Ende Juni abgab, wird sogar der medizinische Fortschritt angepriesen, der mit dem Klonen von Tieren möglich sei. Lediglich die Klonierung von Embryonen lehnen die europäischen Ethikberater ab. Für Hiltrud Breyer, Europaparlamentarierin der Grünen, ist die Empfehlung daher auch nur eine „Beruhigungspille für die Öffentlichkeit“. Ihr fehlen zudem Vorgaben für eine internationale Regelung.
Die von US-Präsident Bill Clinton einberufene Nationale Bioethikkommission (NBAC) geht sogar noch weiter. Ihrem Bericht zufolge soll die Erforschung des Klonens auch an menschlichen Embryonen erlaubt bleiben. Nur daß sich aus den Zellen auch ein Mensch entwickeln könne, müsse verhindert werden, vorerst zumindest. Das NBAC schlägt deshalb in seiner Stellungnahme von Anfang Juni nur ein fünfjahriges Moratorium vor. Danach soll die Frage, ob das Klonen von Menschen erlaubt werden könne, erneut überprüft werden. Auf ethische Einwende, die gegen das Klonen sprechen, konnte sich Clintons Beratergremium nicht einigen. Einzig in der nicht sicheren Handhabung der Technik sahen sie einen Grund für ein vorübergehendes Verbot.
Clinton hat inzwischen die Empfehlung aufgegriffen und ein Gesetz lanciert, mit dem das Klonen von Menschen für die nächsten fünf Jahre verhindert werden soll. Staatlich finanzierte Projekte dürfen bisher schon keine Forschungen mit menschlichen Embryoen betreiben. Das Klonverbot hingegen soll auch auf private Forschungsstätten ausgedehnt werden. Es wäre das erste Mal überhaupt, daß in den USA ein Gesetz die Forschung an Embryonen einschränkt. Vielen Forschern geht selbst das zu weit.
Mit deutlichen Worten sprach sich der scheidende Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Professor Wolfgang Frühwald, gegen das Klonen von menschlichen Zellen aus. „Ich meine, daß die Grenze der Forschung dort erreicht ist, wo die Klonierung von Menschen befürwortet wird“, so Frühwald in einem Interview der Welt. Den Einwurf seiner Wissenschaftskollegen, daß man diese Technik brauche, um die Fortpflanzungsmedizin zu verbessern oder Organe zur Transplantation wachsen zu lassen, weist der DFG-Präsident energisch zurück: „Man nimmt bei diesen Verfahren in Kauf, daß der Organismus nicht Mensch heißt, sondern Leber, Pankreas, Niere etc. Ich halte solche Experimente für unerlaubt. Sie verletzen die menschliche Würde.“
Internationale Regelungen, die das Klonen grundsätzlich unter Verbot stellen, sind immer noch nicht in Sicht. Zwar liegt inzwischen ein Zusatzprotokoll für die umstrittene Bioethik-Konvention des Europarates vor. Doch auch dort ist ein Schlupfloch offengelassen worden. Nach dem Protokoll soll das Herstellen eines genetisch identischen Klons untersagt sein. Wird das Klonen mit einer Genmanipulation verbunden, so kann von gentechnisch identischen Menschen nicht mehr die Rede sein. Ursel Fuchs von der Internationalen Initiative gegen die Bioethik-Konvention vermutet, daß mit diesem neu aufgenommenen Passus nur die Akzeptanz für das Regelwerk erhöht werden soll. Bisher hat die deutsche Bundesregierung ihre Unterschrift unter die Konvention noch verweigert. Sie führt aber derzeit intensive Gespräche mit den Oberen der beiden großen Kirchen. Erste Signale deuten darauf hin, daß die Kirchen ihren Widerstand gegen die Bioethik-Konvention jetzt aufgeben wollen. Dem deutschen Beitritt würde dann nicht mehr viel im Wege stehen.
Grundsätzlich gegen das Klonen hatte sich auch das Europäische Parlament ausgesprochen. Wie ernst es seine eigene Forderung tatsächlich nimmt, wird sich diese Woche noch zeigen. Am Mittwoch wird in Straßburg über die geplante Patentierungsrichtlinie debattiert. Die Europaparlamentarier werden jetzt entscheiden müssen, inwieweit das Klonen von der Patentvergabe ausgeschlossen werden soll.
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