Sind Sie glücklich?
: „Am allerglücklichsten beim Orgasmus“

■ 11 Uhr, Wittenbergplatz. „Man soll jeden Tag wie ein neues Leben beginnen“, meint Katharina Nowicka. Wichtig sind Arbeit, Freunde und „etwas fürs Herz“

„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Alexanderplatz und dem Wittenbergplatz um.

Die 29jährige Zahnarzthelferin Katharina Nowicka: Momentan ist mein Glück ein bißchen behindert, weil mir vor einer Woche der Meniskus rausgesprungen ist. Aber ansonsten bin ich glücklich. Sorglosigkeit bildet für mich persönlich das Glück. Klar, Probleme hat jeder. Aber man soll halt jeden Tag wie ein neues Leben beginnen, mit Kreativität und Spontanität. Vor ungefähr drei Monaten habe ich hier auf dem Wittenbergplatz einen Albaner kennengelernt und ihm zur Adoption verholfen. Ich habe ihn mit einer Freundin bekannt gemacht, die sich schon immer Kinder gewünscht hat und keine bekommen kann. Ich hoffe, daß es klappt. Obwohl ich eigentlich nichts davon habe, macht mich das glücklich. Man geht dann mit einem Lächeln auf die Straße. Ich sollte heute arbeiten, bin aber nicht hingegangen. Gestern habe ich probegearbeitet. Obwohl ich das Geld unheimlich dringend brauche, sehe ich nicht ein, daß ich mich für 9,50 Mark auf dem Fleischmarkt in der Beusselstraße kaputtmachen soll. Jetzt gehe ich halt zum Arbeitsamt, melde mich arbeitslos und versuche, in meinem alten Beruf als Zahnarzthelferin einen Job zu finden.

Anfang des Jahres habe ich mich beworben, die haben erzählt, daß ich zu alt und zu teuer bin. Die suchen halt Leute, die sie noch modellieren können. Aber ich finde bestimmt eine Praxis, wo man auf andere Kriterien steht und auf Leute wie mich. Am allerglücklichsten bin ich beim Orgasmus. Das ist etwas, was jeder hat, aber keiner spricht drüber. Es ist schon Monate her, daß ich ganz besonders glücklich war (lacht). Es ist nicht so einfach, tolle Männer kennenzulernen. Ich hatte einen getroffen. Aber da war ich bißchen angetrunken und hab' aus Spaß gesagt, ach hau ab. Und dann ist er wirklich abgehauen. Na ja, jetzt will ich erst einmal Arbeit haben. Wichtig sind auch Freunde, die einen aufbauen – und etwas fürs Herz. Die Probleme, die ich habe, haben tausend andere Leute auch. Das ist halt normal.

Einmal ging's mir richtig schlecht, als mein Freund, mit dem ich unheimlich lange zusammen war, Schluß mit mir gemacht hat. Da bin ich in die Klapse gekommen. Die Zeit, mich wieder aufzubauen, das war ziemlich hart. Wenn's mir schlechtgeht, mache ich zu Hause eine Kerze an, kaufe mir Blumen und Räucherstäbchen, lese meine alten Tagebücher durch oder kaufe mir eine schöne Frauenzeitung. Jetzt schreibe ich keine Tagebücher mehr, ich mag diese Kontrolle nicht mehr. Ich will einfach frei sein. Barbara Bollwahn

Heute stehen wir auf dem Alexanderplatz