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Kleiner Sisyphos im roten Geröll

Das Mars-Mobil untersucht mit großem Brimborium Steine. Das Ziel der Nasa bleibt jedoch die bemannte Station auf fremden Planeten, und dafür testet sie eine neue Planungsmethode  ■ Von Reiner Metzger

Stein für Stein arbeitet sich das kleine, sechsrädrige Fahrzeug durch den feinen roten Staub und macht so seinem Namen alle Ehre. Das Beiboot der Marssonde Pathfinder wurde nach der ehemaligen Negersklavin Sojourner Truth benannt. Anfang des vergangenen Jahrhunderts wurde Sojourner im US-Bundesstaat New York von Master zu Master weitergereicht, bis sie schließlich ihr letzter Herr aus der Sklaverei entließ.

Das kleine, sechsrädrige Solarmobil auf der kalten Marsoberfläche wandert auch, und zwar von Steinbrocken zu Steinbrocken. Erst filmt es die Oberfläche mit der eingebauten Kamera. Dann beginnt die eingebaute Meßsonde zu arbeiten. Der erste Stein „Barnacle Bill“ stellte sich als Produkt reger vulkanischer Tätigkeit heraus. Zu je einem Drittel bestand er aus Quarz – ähnlich dem Vulkangestein aus den chilenischen Anden, dem Andesit. Schwierigkeiten bereitet bisher nur der Bordcomputer der Mars-Station. Er soll Bilder und Daten zur Erde funken, schaltet sich aber jedesmal aus, wenn er mehrere Sachen gleichzeitig ausführen muß. Gestern sollte er aber endlich die Analyseergebnisse von „Yogi“ zur kalifornischen Basisstation senden, dem zweiten Stein, an dem Sojourner angedockt hatte.

Eine Frage der Mars-Forscher bleibt aber auf jeden Fall unbeantwortet: „Wo ist der Kohlenstoff?“, wie Ernst Hauber, Geowissenschaftler am Berliner DLR-Institut für Planetenerkundung, formuliert. Dieses Element ist aufgrund seiner chemischen Flexibilität nicht nur der Grundbaustein allen Lebens, wie wir Erdlinge es kennen. Es ist auch die einzige Hoffnung auf einen früher lebensfreundlicheren Mars.

Nur wenn die Kohlenstoffatmosphäre in den Urzeiten des roten Planeten einmal wesentlich dichter war als heute, kann es warm genug für Leben gewesen sein. Und die Spuren der immensen Mengen von Kohlenstoff müßten sich noch heute auf dem Mars finden und in karbonathaltigen Mineralien gespeichert sein. Diese Mineralien hofft die Nasa in einem Tal wie dem der Pathfinder aufzuspüren.

Spätestens im Jahr 2005 können dann Forscher auf der Erde einen Brocken vom Mars genauer untersuchen: Dann soll erstmals ein versiegelter Behälter mit Gestein den Weg zurück zur Erde machen.

Trotz allerlei Pannen waren Pathfinder und Sojourner bisher erfolgreich genug. Die Mission zum Mars sollte beweisen, daß die neue Planungsmethode der Nasa funktioniert: In Zukunft wird bei jedem Unternehmen vorgegeben, wieviel sie kosten darf, und nicht, welche Experimente mitfliegen dürfen. Damit wird die Kreativität der Wissenschaftler und Ingenieure stimuliert, ihre Wünsche mit möglichst geringen Mitteln zu verwirklichen.

Die Pathfinder kostete auf diese Weise 270 Millionen Dollar. Und von der Planung bis zum Start im November 1996 vergingen nur zwei Jahre. So ist auch wesentlich neuere Elektronik auf den Weg gebracht worden, als bisher in der Raumfahrt üblich. Zum Vergleich: Im Oktober soll die wegen ihrer Plutoniumbattereien umstrittene Cassini-Mission zum Planeten Saturn starten. Das Projekt läuft schon seit 1989 und kostet 1,5 Milliarden Dollar.

Ob die Billigmethode auf das eigentliche Ziel der Nasa, die Besiedlung des Alls, anwendbar ist, weiß noch niemand. Denn laut ihren eigenen Strategiepapieren will die US-Raumfahrtagentur die „Präsenz des Menschen auf dem Mond, dem Mars und anderswo im inneren Bereich des Sonnensystems etablieren“. Auch „Gelegenheiten für den Handel im Raum als eine Basis für zukünftige Niederlassungen“ sollen durch die bemannte Raumfahrt erschlossen werden. Wer aber Menschen ins Spiel bringt, verteuert die Sache wesentlich. Ein „Schau'n mer mal, ob unsere Billigkiste ankommt“ verbiete sich dann.

Die Nasa weiß noch nicht genau wie, aber als Termin peilt die Raumfahrtagentur laut verschiedenen Interviews von Nasa-Chefplaner Jesco von Puttkamer das Jahr 2019 an. Es gibt auch schon einen Kostenrahmen: „Wir müssen dem Senat ein Budget von unter 20 Milliarden Dollar präsentieren“, meinte letzten Monat im Internet ein Nasa-Stratege. Dabei ist die neue Billigplanung schon eingerechnet. Bisher sprach die Nasa von 50 Milliarden Dollar – so Robert Zubrin, Präsident der National Space Society in einem Buch 1996. Dabei wurden die Ressourcen des Mars schon mit einbezogen. Treibstoff für den Rückflug etwa soll mit Fabriken vor Ort aus Boden und Luft gewonnen werden.

Neben den hohen Kosten stehen vor allem gesundheitliche Gefahren für die Astronauten einer baldigen Mars-Mission entgegen. Die Tauglichkeit des Homo sapiens für die Weiten des Alls ist noch nicht bewiesen. Hin- und Rückreise würde je sechs Monate dauern, der Aufenthalt entweder einen Monat oder fünfhundert Tage. Denn nur ab und zu stehen Erde und Mars auf ihren Umlaufbahnen um die Sonne so, daß ein Raumschiff mit vertretbarem Aufwand von Planet zu Planet hopsen kann. Während dieser Zeit würden die Raumfahrer ohne das schützende Magnetschild der Erde von kosmischer Strahlung bombardiert. Und wenn dem menschlichen Körper die Schwerkraft fehlt, drohen die Knochen und Muskeln zu schwinden.

„Die Effekte der geringen Schwerkraft und der Stahlung töten die Astronauten nicht“, sagt John Pike, Raumfahrtspezialist der Federation of American Scientists. „Aber wir sind noch nicht ganz sicher, ob sie nicht die Arbeitsfähigkeit einschränken.“ Das soll in den nächsten Jahren auf der kommenden internationalen Raumstation im Orbit um die Erde geklärt werden.

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