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Reformen der UNO lassen auf sich warten

■ UN-Generalsekretär Annan wollte der Generalversammlung heute ein Konzept vorschlagen. Doch Sonderorganisationen und Mitgliedsstaaten legen sich quer

Genf (taz) – In einer seit Monaten als „wichtiges Ereignis“ angekündigten Rede vor der UNO-Generalversammlung in New York wird Generalsekretär Kofi Annan den 185 Mitgliedsstaaten heute Vorschläge zur Organisationsreform des UNO-Systems unterbreiten. Erklärtes Ziel ist die Kostenreduzierung sowie die Straffung und Effektivierung der UNO-Arbeit, insbesondere auf den Gebieten Entwicklung und Humanitäres.

Nach Informationen der taz aus dem Generalsekretariat bleibt Annans Reformpaket wegen des Widerstands einiger UNO-Sonderorganisationen und Mitgliedsstaaten allerdings deutlich hinter den Empfehlungen zurück, die eine noch von seinem Vorgänger Butros Butros Ghali eingesetzte Reformgruppe Ende Juni vorgelegt hat. Insider in der New Yorker UNO-Zentrale und im Europäischen Hauptquartier in Genf bezweifeln, daß das Reformpaket ausreicht, die USA zur Begleichung ihrer ausstehenden Pflichtbeiträge an die UNO in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar zu bewegen.

Die Reformgruppe unter Leitung des kanadischen Managers und Diplomaten Maurice Strong durchforstete seit Herbst letzten Jahres das gesamte UNO-System auf Möglichkeiten zur Effektivierung der Arbeit und zur Reduzierung von Ausgaben. Auf der Basis von Empfehlungen der Reformgruppe verkündete Annan Mitte März in einer sogenannten „ersten Reformstufe“ ein Maßnahmenbündel. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die er selber durchführen kann (wie die Streichung von 1.000 Personalstellen), und von Schritten, für die er die Zustimmung der Mitgliedsstaaten benötigt. Das betrifft die Zusammenlegung von drei mit Entwicklungsfragen befaßten Abteilungen in der New Yorker Zentrale.

Die Maßnahmen der „zweiten Reformstufe“, die heute verkündet wird, hängen alle von der Zustimmung der 185 Mitgliedsstaaten ab. Sie betreffen in erster Linie die Arbeit der 32 Sonder- und Spezialorganisationen der UNO, von denen einige autonom sind. Das heißt, sie werden nicht aus dem UNO-Haushalt finanziert und unterliegen nicht der Aufsicht durch die Generalversammlung.

In ihren Empfehlungen vom 25. Juni, die der taz vorliegen, schlug die Reformgruppe die Schaffung einer UNO-Entwicklungsbehörde vor, unter Einbeziehung des UNO-Entwicklungsprogramms (UNDP), des Kinderhilfswerks Unicef, des Bevölkerungsfonds (UNFPA) sowie der Wirtschafts- und Sozialabteilung (Ecosoc) im Generalsekretariat.

Dieser Vorschlag stieß auf heftigen Widerstand insbesondere bei Unicef und der UNFPA. Bereits Anfang Juni durchbrach die US- amerikanische Unicef-Direktorin Carol Bellamy die UNO-intern vereinbarte Vertraulichkeit der Reformdiskussionen und lehnte öffentlich sämtliche Vorschläge ab, die die „Unabhängigkeit“ und das „eigene Profil“ von Unicef einschränken könnten.

Nach Ablieferung der Empfehlungen der Reformgruppe kam es bei einer Sitzung am letzten Juniwochenende in New York zu Auseinandersetzungen zwischen Bellamy, der Direktorin des Bevölkerungsfonds, Nafis Sadiq, und dem Vorsitzenden der Reformgruppe, Strong. Annan wird der Generalversammlung heute nur die Schaffung eines Exekutivausschusses vorschlagen, der alle UNO-Aktivitäten im Entwicklungsbereich lose „koordinieren“ soll.

Ähnlich verlief die Diskussion im Bereich der humanitären Arbeit der UNO. Von der ursprünglichen Empfehlung der Reformgruppe, die „Abteilung für humanitäre Aufgaben“ (DHA) wegen Ineffektivität aufzulösen und sämtliche Aktivitäten der UNO unter dem Dach des UNO-Hochkommissariats für Füchtlinge (UNHCR) zu bündeln, ist wenig übriggeblieben. Unter anderem stieß dieser Vorschlag auf Widerstand bei den ständigen Mitgliedsstaaten des UNO-Sicherheitsrates, Frankreich und Großbritannien. Generalsekretär Annan wird heute vorschlagen, das DHA mit leicht veränderter Aufgabenbeschreibung weiterbestehen zu lassen – eine Bestätigung des Status quo. Andreas Zumach

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