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Kampf für schwarzen Adler auf rotem Grund

■ Die Albaner in Makedonien mucken auf. Denn die Zentralregierung in Skopje schränkt die Rechte der Minderheit ein

Berlin (taz) – In Makedonien stehen die Zeichen auf Konfrontation. Am Mittwoch boykottierten die albanischen Minister die Sitzung der Regierung. Albanische Abgeordnete blieben aus Protest einem Treffen der Ausschüsse fern. Auslöser der jüngsten Krise in der Zwei-Millionen-Einwohner- Republik, in der der albanische Bevölkerungsanteil offiziell bei 22 Prozent liegt, ist ein am vergangenen Mittwoch vom Parlament verabschiedetes Gesetz. Danach dürfen Minderheiten ihre Fahnen nur noch an Privathäusern hissen. Vor offiziellen Gebäuden dürfen die Fahnen nur noch an staatlichen Feiertagen wehen.

Als Polizeikräfte in der vergangenen Woche die albanische Flagge vom Rathaus in Gostivar, rund 70 Kilometer westlich der Hauptstadt Skopje, unter dem Protest von Albanern herunterholten, eskalierte die Situation. Die Polizei antwortete mit Knüppeln, Schlagstöcken und Tränengas. Vier Menschen wurden getötet und zahlreiche Demonstranten zum Teil schwer verletzt. 500 Teilnehmer der Demonstration, unter ihnen der Bürgermeister von Gostivar, wurden verhaftet. Innenminister Tomislaw Sokrevski fiel dazu nur ein Satz ein: Die Polizei habe so vorgehen müssen, um die Souveränität und Integrität Makedoniens zu schützen. „Die Menschen wurden wie Tiere behandelt. Soviel Brutalität hat es hier seit Jahren nicht mehr gegeben“, sagt ein Journalist aus Skopje, dem, wie seinen Kollegen, der Zugang nach Gostivar verweigert und Filmmaterial abgenommen worden war.

Reaktionen aus dem Nachbarland Albanien ließen nicht lange auf sich warten. Am vergangenen Wochenende zogen Hunderte Albaner durch das Zentrum der Hauptstadt Tirana und verbrannten eine makedonische Fahne. Der makedonische Botschafter in Tirana wurde aufgefordert, gegen das Vorgehen der Polizei zu protestieren.

Abgeordnete der Albanischen Demokratischen Partei in Makedonien haben inzwischen das Innenministerium dazu aufgefordert, dem Parlament vollständige Informationen über den Polizeieinsatz in Gostivar vorzulegen. Derweil sammelt die Polizei weiter albanische Fahnen ein. Am Dienstag wurde der Adler auf rotem Grund in der westmakedonischen Stadt Diber eingeholt. Unter dem Motto „Laßt uns unsere Fahne verteidigen“ demonstrierten Mitte der Woche in Struge rund 2.500 Anhänger der Albanischen Demokratischen Partei. Zusammenstöße blieben aus.

Doch die Situation bleibt angespannt. Nicht zuletzt aus Angst vor neuen Zwischenfällen patrouilliert in Gostivar ein verstärktes Polizeiaufgebot durch die Straßen. Albaner werden willkürlich festgenommen, Razzien in Häusern von Albanern sind an der Tagesordnung. „Die Menschen trauen sich kaum noch auf die Straße. Auch nicht diejenigen, die medizinische Behandlung brauchen“, sagt Alush Kamberri, Journalist von TV- Skopje. Er fürchtet, daß die Situation außer Kontrolle geraten könne. Zumindest dann, wenn sich die Proteste auf weitere Bezirke, die mehrheitlich von Albanern bewohnt werden, ausdehnen. „Alle Albaner haben Angst. Es ist, als ob Ausnahmezustand herrsche.“ Barbara Oertel

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