: Den Paras auf der Spur
■ Bremer wollen Parawissenschaften erforschen: Bei Astrologie, Prä-Astronautik oder Seelenwanderung sei Skepsis angebracht, finden die Gründer der neuen Arbeitsgruppe
Helmut Wenisch entdeckt jeden Tag Außergewöhnliches und schier Unerklärliches. Magnetentkalker fürs Wasserrohr, Korkplatten gegen bösartige Erdstrahlen und die Algenbekämpfung im Bremer Ichon-Park mittels energieangereicherten Steinmehls nach Plocher. „Alles interessante Phänomene, nur kann sie einem keiner erklären“, sagt Wenisch. Der diplomierte Physiker, der an der Bremer Universität arbeitet, will nun Licht ins esoterische Dunkel bringen. Deshalb hat er jetzt den Bremer Ableger der „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.“(GWUP) gegründet.
Die GWUP ist ein bundesweit organisierter Zusammenschluß von über 450 Wissenschaftlern und wissenschaftlich interessierten Laien auf der Suche nach den Naturgesetzen hinter unerklärlichen Phänomenen und abenteuerlichen Theorien. Astrologie und Prä-Astronautik, Seelenwanderung und Paramedizin bieten genug Stoff zur Skepsis. Doch wo fängt für die GWUP die Para-Wissenschaft an? Wenisch zögert: „Die Frage ist, ob die Behauptungen durch die derzeit gültige Physik gedeckt sind oder nicht, wobei die Grenzen sicherlich fließend sind.“
In Bremen haben sich bislang knapp zwanzig „Skeptiker“gefunden, vor allem Lehrer, Ärzte, Psychologen, aber auch Zauberkünstler. „Schlüsselerlebnisse“haben sie zusammengebracht, so Wenisch. Die Lehrer an den Schulen werden mit okkulten Riten konfrontiert, andere haben im Zuge schwerer Erkrankungen mit esoterischen Heilverfahren experimentiert – mit wachsendem Mißtrauen. Ziel sei es aber nicht, „mit erhobenem Zeigefinger wie ein Schulmeister“alles erklären zu wollen, sagt Wenisch. „Die Naturwissenschaft ist nicht der Weisheit letzter Schluß“, aber sie sei immer noch besser als der pure Glaube. Neben dem physikalischen Interesse und der Suche nach einem Stückchen mehr erklärter Welt geht es aber auch um den Verbraucherschutz. Teure Naturheilverfahren wie die Bachblütentherapie oder die wundersame Wirkung kraftspendender Edelsteine müßten kritisch hinterfragt und erklärt werden.
„Kritik ist aber nur durch Wissen möglich“, sagt Wenisch und wirft der Bremer Esoterikszene Verpuppung vor. „Gehen Sie mal nach Ladenschluß zu einem Vortrag. Da bezahlen sie gleich 15 Mark“. Öffentliche Diskussionen würden so eigentlich zu „geschlossenen Veranstaltungen“, bei denen Kritiker zumeist außen vor blieben. Diskussionen seien nicht erwünscht. Rausgeflogen bin ich zwar noch nicht, aber schon freiwillig gegangen“, sagt Wenisch. Doch auch außerhalb der eingeschworenen Zirkel wird der Physiker fündig. „Bei der Space-Exhibition auf der Bürgerweide habe ich einen Mikrochip gefunden, der den Lautsprecherklang verbessert, Menschen heilt und aus Solarzellen mehr Strom herauskitzelt. Das wäre schon einen Nobelpreis wert“. Esoterik sei inzwischen keine Glaubensfrage mehr, sondern ziehe sich durch den Alltag. Die Spielbank richtet Sternentage ein, und wenn beim täglichen Kaffeekränzchen ein Tortenstück umfällt, ist das auch schon ein böses Omen.“Scharlatanerie und naive Leichtgläubigkeit werfen Wenisch und die GWUP den Esoterikern keineswegs vor. Erfahrung sei aber nicht gleich Objektivität. Nur weil etwas funktioniere, sage das noch nichts über den Wirkungszusammenhang aus, sagt Wenisch im Hinblick auf homöopathische Behandlungsverfahren.
Allerdings räumt er ein: Wer heilt, hat recht“. Weniger Erbarmen zeigt Wenisch auf seinem eigenen Gebiet, der Physik („Also ich als Naturwissenschaftler...“). Unter seinem Blickwinkel mutieren geheimnisvolle Wünschelrutengänge, Psychokinetik und Aura-Photographie zu nüchterner Faktenanalyse. Das sei Paraphysik ohne wissenschaftliche Grundlage. Allerdings ließe sich damit eine gute Stange Geld verdienen, sagt er und verzieht das Gesicht. Astroenergetische Heilamulette und Orgon-Ackumulatoren zur Erholung, da höre der Spaß auf. Da wollen wir aufklären.“
Was aber, wenn die persönliche Erfahrung der wissenschaftlichen Analyse widerspricht, und scheinbar doch mehr dran ist an der esoterischen Irrationalität? „Da hab ich ein Problem. Wer glaubt, etwas Bestimmtes gesehen oder erlebt zu haben, bleibt auch dabei. Argumente sind dann nichts wert. Aber bislang sehe ich noch keine Veranlassung, irgendwo zu zweifeln.“
Ab Herbst werden Wenisch und die GWUP Bremer Esoterikern und Parawissenschaftlern auf den Zahn fühlen. Den Anfang macht ein Vortrag zum Thema „Hellsehen und außersinnliche Wahrnehmung“. Am liebsten würde er seine Gegner mit wissenschaftlich fundierten Experimenten auf die Probe stellen, sagt Wenisch. Fraglich sei nur, ob sie sich trauen. So wird er denn – wenn alles klappt – zunächst zusammen mit dem Olbers-Planetarium UFO-Theorien ad absurdum führen. Christian Sywottek
Infos und Kontakt zur GWUP gibt es bei Helmut Wenisch unter oder 21 83 38 0.
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