Der Golan bringt Chaos in die Knesset

Israelische Parlamentarier wollen per Gesetz verhindern, daß der Höhenzug an Syrien zurückgeht. Doch nicht jeder Abgeordnete durchblickt das Abstimmungsprocedere  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Israels Parlament hat am Mittwoch abend in erster Lesung eine Gesetzesvorlage verabschiedet, laut der eine Rückgabe der syrischen Golan-Höhen von der Knesset mit einer Zweidrittelmehrheit gebilligt werden muß. Ein solches Gesetz dürfte die Aussichten auf weitere Friedensverhandlungen mit Syrien erheblich schmälern. Syrien besteht auf einer vollständigen Rückgabe des Golan.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und andere Regierungsmitglieder stimmten für das Gesetz, obwohl Justizminister Tzahi Hanegbi bei der vorhergehenden Debatte erklärt hatte, die Regierung lehne das Gesetz ab. Netanjahu sagte anschließend der israelischen Presse, er sehe darin keinen Widerspruch. Die Regierung sei lediglich dagegen gewesen, daß das Gesetz nicht von ihr selbst, sondern von einzelnen Abgeordneten eingebracht worden sei. Er verneinte, daß das Gesetz Verhandlungen mit Syrien erschweren werde: „Im Gegenteil. Es wird zum Frieden mit unseren Nachbarn und zum Frieden zu Hause beitragen.“ Außenminister David Levy, dessen Gesher-Partei fast geschlossen der Abstimmung fernblieb, bezeichnete das Votum dagegen als ein Hindernis für Verhandlungen mit Syrien.

Israel hatte die Golan-Höhen 1967 erobert und 1981 annektiert. Auf dem Hochplateau leben 18.000 israelische Siedler und ebenso viele syrische Drusen, die als israelische Staatsbürger behandelt werden. Vor 1967 hatten syrische Truppen wiederholt vom Golan aus israelische Siedlungen beschossen. Von 1967 bis 1971 dauerte der sogenannte Abnutzungskrieg, bei dem auch schwere Artillerie eingesetzt wurde. Erst nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973 gelang es dem damaligen US-Außenminister Henry Kissinger, ein Truppenentflechtungsabkommen auszuhandeln. Seither sind auf dem Golan UN-Blauhelme stationiert. Zudem befindet sich dort ein israelischer Horchposten, mit dem angeblich sogar Telefonate in Damaskus abgehört werden können.

In den bisherigen Friedensverhandlungen hatten sich Syriens Staatschef Hafis al-Assad und der ermordete israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin in einem sogenannten Non-Paper darauf geeinigt, daß Israel sich bei einem Friedensschluß auf die internationalen Grenzen zurückzieht und damit die Höhen aufgibt, deren militärische Bedeutung heute als eher gering eingeschätzt wird.

Doch vor allem wegen der Siedler sorgt die Debatte um die Rückgabe des Golan in Israel immer wieder für Zündstoff, eben auch in der Knesset. Zur Abstimmung standen nämlich gleich zwei Vorlagen, um eine Rückgabe unmöglich zu machen. Die erste sah vor, daß eine Änderung des Gesetzes über die Annexion des Golan nur mit einer absoluten Mehrheit von 61 Abgeordneten beschlossen werden darf und sich zusätzlich mindestens 50 Prozent aller israelischen Wahlberechtigten in einem Referendum dafür aussprechen müßten. Diese Vorlage, die Netanjahu nach der Abstimmung als die sinnvollere bezeichnete, scheiterte mit 50 zu 50 Stimmen bei vier Enthaltungen. In den daraufhin einsetzenden Wortgefechten und dem Jubel der Opposition verließen einige Abgeordnete die Knesset, andere überhörten die Ankündigung des Parlamentssprechers über den Beginn der zweiten Abstimmung. Ein Abgeordneter der oppositionellen Meretz-Partei drückte in dem Durcheinander sogar irrtümlich den falschen Knopf und stimmte für die Annahme der Vorlage, die dann mit 43 gegen 40 Stimmen bei zwei Enthaltungen in die Ausschüsse verwiesen wurde. Kommentar Seite 10