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Vom Physiker zum Präsidenten

■ Das albanische Parlament wählt Rexher Mejdani zum Staatschef. Mit dem 52jährigen soll ein Neuanfang gemacht werden. Noch immer regiert im Land das Chaos, jeden Tag werden Menschen bei Schießereien getötet

Eigentlich wollte Rexher Qemal Mejdani mit Politik gar nichts zu tun haben. Nun sitzt er doch mittendrin, besser gesagt ganz oben: Am Donnerstag abend wurde er vom Parlament in Tirana zum Präsidenten Albaniens gewählt. Leicht wird seine neue Aufgabe nicht, denn sein Vorgänger Sali Berisha hat einen Scherbenhaufen hinterlassen. Ein Land im wirtschaftlichen Chaos, das nach dem Zusammenbruch dubioser Anlagegesellschaften im Frühjahr, bei dem Tausende von Albanern ihre Ersparnisse verloren, im Chaos versank. Und in dem im Süden noch die Waffen regieren. Täglich werden Menschen bei Schießereien und Anschlägen getötet.

Mejdani gehörte nie der kommunistischen Partei der Arbeit an und hielt sich auch nach der Wende zunächst abseits vom politischen Geschehen. 1992 lehnte er ein Angebot, auf der Liste einer der mit der kommunistischen Partei verbündeten Gruppierung bei den Parlamentswahlen zu kandidieren, ab. Als im vergangenen Jahr Staatspräsident Berisha Studenten und Journalisten, die gegen Manipulationen bei den Wahlen protestierten, zusammenknüppeln ließ, wollte sich Mejdani dann doch nicht mehr heraushalten. „Das war so wie eine innere Eingebung. Und so entschloß ich mich, in die sozialistische Partei einzutreten“, sagte er unlängst gegenüber der taz.

Mejdani wollte einfaches Mitglied bleiben, doch die gewendeten Genossen ließen ihn nicht. Bereits einen Monat später wählte ihn die Partei zum Generalsekretär. Von da an war es endgültig vorbei mit der Ruhe im Elfenbeinturm der Wissenschaften. Denn dort hatte Mejdani, 1944 in Tirana geboren, viele Jahre seines Lebens verbracht. 1966 schloß er sein Physikstudium an der Universität Tirana ab und spezialisierte sich in der Festkörperphysik. 1984 bekam er in Tirana seinen ersten Doktortitel, zwei Jahre später den zweiten in Frankreich. Weitere Studienaufenthalte in Italien, Deutschland, Großbritannien und den USA schlossen sich an. Zwischenzeitlich war Mejdani zum Leiter der Abteilung für theoretische Physik an der Universität von Tirana berufen worden. Doch trotz selbstverordneter Abstinenz konnte Mejdani die Finger von der Politik denn doch nicht lassen. Und so wurden seine philosophischen Abhandlungen über Menschenrechte ab Anfang der 90er Jahre in den einschlägigen Publikationen bald zu einer ständigen Einrichtung.

Nach seiner Wahl zum Präsidenten verwahrte sich Rexher Mejdani, der jetzt wieder parteilos ist, gegen Intoleranz und Versuche, bestimmte Personen von der Politik auszuschließen. Er weiß, wovon er redet. Die Gräben zwischen der neuen sozialistischen Partei und den oppositionellen Demokraten von Ex-Staatschef Berisha sind tief. Böse Zungen behaupten, der designierte sozialistische Regierungschef Fatos Nano, der im Parlament über eine Zweidrittelmehrheit verfügt und Berisha einen Gefängnisaufenthalt verdankt, warte nur darauf, mit seinen Gegnern abzurechnen. Das wird Mejdani versuchen zu verhindern. Inwieweit ihm das gelingt, ist offen. Denn die Sozialisten haben eine Verfassungsänderung angekündigt. Die Vollmachten des Präsidenten sollen beschränkt werden. Barbara Oertel

Kommentar Seite 10

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