: RAF-Gefangener schwer erkrankt
■ Der zu lebenslanger Haft verurteilte Helmut Pohl leidet unter schweren Durchblutungsstörungen. Angehörige und kirchliche Initiativen fordern seine sofortige Freilassung wegen "Haftunfähigkeit"
Hamburg (taz) – Der Gesundheitszustand des in der hessischen Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt einsitzenden RAF-Gefangenen Helmut Pohl (52) ist nach Auskunft seines Anwaltes Gerd Klußmeyer „möglicherweise lebensbedrohend“. Eine Ärztin, die im Auftrag von Gisela Pohl, der Frau des Inhaftierten, die Krankenakten studiert hat, kommt zu dem Ergebnis, daß die zahlreichen Beschwerden, die Pohl seit Jahren beklagt, mit hoher Wahrscheinlichkeit auf „schwere Durchblutungsstörungen“ zurückzuführen seien. Sollte sich diese Ferndiagnose bestätigen, sei Pohl von Hirn- oder Herzschlag bedroht. Auch eine halbseitige Gesichtslähmung, die Pohl vor rund zwei Wochen befallen hatte, führt die Ärztin auf Durchblutungsprobleme zurück.
Nach Anwalt Klußmeyers Auffassung können nur „umfangreiche Gefäßuntersuchungen“ zur Aufklärung der Krankheitsursachen beitragen. Bislang habe die Anstaltsleitung aber nur „eine Ausführung zu einer Kurzuntersuchung angeboten“. Der stellvertretende Leiter der JVA, Hoos, sagte der taz gestern, man werde jetzt einen Marburger Spezialisten und einen Radiologen zu Rate ziehen und das weitere Vorgehen von deren Diagnose abhängig machen.
Seit seiner Gefangennahme 1984 hat sich der Gesundheitszustand von Helmut Pohl stetig verschlechtert. Der zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Häftling leidet unter einer Wirbelsäulenkrankheit, chronischen Magen- und Darmbeschwerden, Sehstörungen sowie periodisch auftretenden Taubheitserscheinungen und Bandscheibenvorfällen. Zur Zeit könne Pohl „weder schmerzlos sitzen, noch laufen, noch stehen“, berichtet Gisela Pohl.
Pohls Krankheitsgeschichte ist geprägt von zähem bürokratischen Gezerre zwischen Anstaltsleitung, Bundesanwaltschaft, Rechtsanwälten und Angehörigen. So wurden verschiedene Anträge auf Behandlung außerhalb des Knastes unter Hinweis auf Sicherheitsrisiken abgelehnt. Verordnete Krankengymnastik fand nicht statt, weil in der JVA nicht durchführbar.
Mehrere Initiativen, darunter Pax Christi und die Jesuitenkommunität Kreuzberg, fordern jetzt vom Bundesjustizministerium die „sofortige Entlassung“ von Pohl und der ebenfalls schwer kranken RAF-Gefangenen Adelheid Schulz (41), da beide „ganz offensichtlich haftunfähig“ seien. Die Initiativen bewerten den schlechten Zustand von Pohl und Schulz auch als Folgen der Isolationshaft- bedingungen, unter denen die Gefangenen einen Großteil ihrer insgesamt 21jährigen bzw. 15jährigen Knastzeit verbracht haben. Marco Carini
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