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Leere Berliner Häuser

■ Besetzer noch draußen. Wieland kritisiert „rechstwidrige Räumung“

Die am Dienstag aus der Rigaer Straße 80 geräumten Besetzer bleiben vorerst obdachlos. Die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Schöneberg, nach der zwei Besetzer in das Haus wieder einziehen dürfen, müsse zunächst dem Hauseigentümer zugestellt werden, erklärte Justizsprecherin Ilona Wiese. Da dies über den Postweg laufen müsse, sei mit einer Vollstreckung durch die Gerichtsvollzieherin nicht vor Freitag zu rechnen. Wiese wertete die Verfügung als überraschend weitreichend. Die dem Hauseigentümer im Falle der Nichterfüllung drohende Ordnungsstrafe von bis zu 500.000 Mark liege an der Höchstgrenze.

Unterdessen äußern sich Innenverwaltung und Polizei sehr vorsichtig. Thomas Raabe, Sprecher des Innensenators, wollte sich gar nicht zum Gerichtsentscheid äußeren. Auch Polizeisprecherin Gedaschke wollte zunächst die weitere Entwicklung abwarten. Polizeijuristen hätten die Rechtslage vor den Räumungen aber „eingängig geprüft“. Gedaschke konnte aber nicht sagen, ob der Polizei eine Gerichtsentscheidung vom Mai bekannt gewesen sei. Schon diese hatte den Bewohnern der Rigaer Straße 80 Besitzrechte zuerkannt. Falls der Hauseigentümer eine Räumung wünsche, müsse er die Besetzer verklagen. Doch auch ohne Klage wurde die Räumung im Einvernehmen mit der Innenverwaltung nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) durchgeführt.

Der Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Wolfgang Wieland, bezeichnete die Räumung als „absolut rechtswidrig“. Das ASOG rechtfertige allenfalls die Beseitigung einer vorübergehenden Störung. Durch Polizeimaßnahmen dürfe aber keinesfalls das Zivilrecht außer Kraft gesetzt werden. Die Räumungspolitik Schönbohms sei nur auf Erfolgsmeldungen ausgerichtet, meinte Wieland. Was danach geschehe, interessiere nicht. So sei an den 1996 geräumten Häusern Marchstraße und Einsteinufer absolut keine Bautätigkeit zu entdecken. Auch in Mitte und Friedrichshain stehen mindestens fünf weitere ehemals besetzte Häuser noch Monate nach der Räumung leer. Eins von ihnen, die Kreutziger Straße 21, wurde in der Nacht zu Mittwoch kurzzeitig wieder besetzt. Die Polizei räumte mit Wasserwerfern. Acht Personen wurden festgenommen. ga

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