piwik no script img

Russische Seile halten

Bankiers benutzen ihre Beteiligungen an Medien, um an Staatsunternehmen zu kommen  ■ Aus Moskau Barbara Kerneck

Der Kampf um die Privatisierung des ehemals sowjetischen Staatseigentums hat eine neue Qualität angenommen. In der jetzt angebrochenen Endphase, in der nur noch wenige, dafür aber besonders attraktive Projekte unter den Hammer kommen, balgen sich Seilschaften von Politikern und Bankiers nicht mehr versteckt, sondern in den Massenmedien.

Auslöser war die Versteigerung der Telekommunikations-Holding Swjasinvest am Freitag – der größte Deal seit Beginn der russischen Privatisierung. Den Zuschlag bekam für 1,875 Milliarden Dollar die zypriotische Offshore- Firma Mustcom. Dahinter steht ein Konsortium, dem auch die russische Uneximbank und die Deutsche Morgan Grenfell – eine Tochter der Deutschen Bank – angehören. Wie ein Blitz schlug am Samstag ein, daß auch der Investitionsfonds Quantum des Spekulanten George Soros hinter dem Konsortium steht. Soros hat sich in Osteuropa als Förderer demokratischer Projekte einen Namen gemacht. Erst vor kurzem hatte er die russische Privatisierungspolitik kritisiert und die Regierung bezichtigt, ihr Land an eine Handvoll von Korporationen zu verschachern. Zum Schaden des russischen Staates waren nämlich im vergangenen Jahr eine Reihe großer Firmen zu Freundschaftspreisen an regierungsnahe Banken gegangen. Der Ausgang der Swjasinvest-Auktion wurde in der westlichen Presse als Bekehrung der Regierung gefeiert.

Dann aber hat der Journalist Sergej Dorenko im staatlichen Fernsehkanal ORT die mächtige Uneximbank bezichtigt, beträchtliche staatliche Gelder veruntreut zu haben, die für die Sanierung eines Stahlkombinats bestimmt gewesen seien. Dorenko forderte eine Revision des Swjasinvest- Deals, da die Uneximbank in keiner Weise beabsichtige, den dringend nötigen Ausbau des Telefonnetzes voranzutreiben, sondern nur spekulieren wolle. Ähnliche Vorwürfe erhob auch die Tageszeitung Segodnja. Inzwischen hat sich der private Fernsehkanal NTV auf Georg Soros eingeschossen: Dieser arbeite mit „schmutzigem Geld“.

Hauptanteilseigner des ORT- Fernsehkanals ist der stellvertretende Sicherheitsratsvorsitzende und Finanzmann Boris Beresowski, NTV und Segodnja gehören dem Bankier Wladimir Gusinskis – beide Konkurrenten des Unexim- Direktors Wladimir Potanin. Boris Nemzow, erster stellvertretender Premier, erklärte, daß der Verkauf auf keinen Fall rückgängig gemacht werden könne. Die Auktion sei „fair und offen“ gewesen. Er warnte allerdings, daß Bankiers, die bei solchen Preisen nicht mehr mithalten können, Koalitionen mit kommunistischen und faschistischen Politikern bilden könnten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen