: Traurige Seefahrernation
■ Nordmeer-Tours Paul-Heyse-Str. 23 80300 München Rügen – Fotografien von Andreas Herzau/Signum
Sehr geehrte
Damen und Herren,
zurückgekehrt von der Eismeer-Kreuzfahrt mit der „Hanseatic“, fordere ich hiermit die Rückerstattung des vollen Reisepreises und eine angemessene Entschädigung für nicht eingehaltene Reiseversprechen.
Die Ankündigung Ihres Katalogs, mit einem „Luxusliner ins ewige Eis des Nordmeeres vorzustoßen“, wurde unter der Führung von Kapitän Hartvig von Harling zunächst zwar tatkräftig in Angriff genommen, aber der weitere Verlauf der Reise wich doch ganz erheblich von den Planungen ab, ja, man kann wohl davon sprechen, daß Kapitän von Harling die Sache mit der Zeit völlig „aus dem Ruder lief“. Sicher, Service, Unterbringung und Verpflegung an Bord waren tadellos, und auch der klagend- schrille Ruf des Seeadlers hoch über unseren Köpfen wird mir stets als Symbol der grenzenlosen Freiheit und Weite des Eismeers in den Ohren hallen. Trotz meiner 92 Jahre glaube ich von mir behaupten zu können, noch ein recht rüstiger „Fahrensmann“ zu sein, dem das Abenteuer der „großen Fahrt“ lange schon im Blute liegt. Erlauben Sie mir deshalb ein paar Anmerkungen zur seemännischen Durchführung dieser Eismeer- Kreuzfahrt.
Das Versprechen, mit der „Hanseatic“ bis zur Packeisgrenze vorzustoßen, scheiterte kläglich. Schon an der Einfahrt zur Hinlopenstraße in Ostspitzbergen krachte es, und wir saßen fest. Hinlopenstraße – da brauch' ich doch keine „Hanseatic“ zu, da kann ich doch alleine „hinlopen“! Von den KdF-Fahrten mit der „Wilhelm Gustloff“ im Jahre 1939 bin ich da anderes gewohnt.
Der seemännische Grundsatz, „rechtzeitig und entschlossen zu handeln“, wurde von der gesamten Führungsmannschaft der „Hanseatic“ jedenfalls sträflich vernachlässigt. Rechtzeitig und entschlossen zu handeln hätte nämlich bei der ersten Eisberührung bedeutet, volle Fahrt voraus zu machen und zum Franz-Josefs-Land durchzubrechen, anstatt sich in kleinmütiger Unentschlossenheit von ein paar Eisschollen „ins Bockshorn jagen zu lassen“. Hätten wir den Durchbruch durch die unwirtlichen Regionen des nördlichen Eismeeres, vorbei an riesigen Eisbergen, geschafft, dann wäre uns der Applaus der seefahrtinteressierten Welt sicher gewesen!
Was passierte statt dessen? Eine unwürdige Freischleppaktion durch den Norweger, mit der wir uns vor der ganzen Welt als Seefahrernation lächerlich gemacht haben! Ich bin nicht gewillt, diese zögerliche, unseemännische Haltung klaglos hinzunehmen, und fordere Sie hiermit ultimativ auf, meinen Forderungen umgehend zu entsprechen.
Hochachtungsvoll
Friedrich Hasselrohde
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen