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Tabak schädlicher als Milch

■ Bremer Initiativen: der Nichtraucher Bremen e.V. ermöglicht rauchfreies Kegeln und leistet auch sonst wacker Lobby-Arbeit gegen eine nikotin- und teerverpestete Umwelt

Zunächst einige Testfragen:

1) Ist das Blasen von Zigarettenqualm in das Gesicht eines anderen eine Körperverletzung im Sinne des Gesetzes?

2) Kann man in Bremen rauchfrei kegeln?

3) Gibt es in Bremen eine Institution, die sich dem Problem von Annemarie S. widmet, welche während eines Besuchs in Bad Wildungen feststellen mußte, daß in dem Aschenbecher vor dem Lesesaal des Kurhauses Zigarettenkippen derart qualmten, daß der Rauch in den Lesesaal zog?

Wer alle Fragen mit „Ja“beantwortet hat, kann getrost den Rest dieses Artikels in der Pfeife rauchen. Er ist gewiß bereits im Besitz des „Gastronomieführers für Nichtraucher“, kennt alle Termine „rauchfreier Bälle“in Berlin und Wiesbaden und weiß, warum Bob Dole nicht Präsident der Vereinigten Staaten wurde (er unterstand sich zu äußern: „Tabak ist etwa so schlecht für die Gesundheit wie Milch“). Wer allerdings auch nur eine Frage mit „Nein“beantwortete, sollte wissen: Es gibt in Bremen den NiB, den Nichtraucher Bremen e.V., öffentlich wirksam vor allem durch sein Periodikum „Frische Luft“.

Der NiB druckt das Bekenntnis des Bremer Bundestagsabgeordneten und Pfeifenrauchers Volker Kröning ab, der mitteilt, daß er nur noch selten und meist allein pafft. Der NiB druckt nach, was die Berliner Zeitung in der Vorhölle (der Tabakfabrik Marlboro in Richmond/Virginia) erlebte (ein schwarzer, hinkender PR-Mann, Marmorpötte voller Kippen etc.). Der NiB lädt ein zum rauchfreien „Kegeln im La Luna“und zum Nichtraucherspaziergang am Wümmedeich. Außerdem verbreitet der NiB die Informationen der NID, der Nichtraucher-Initiative Deutschland.

Die NID tut, was man von jedem tüchtigen Lobbyisten erwarten kann: Er verteilt Namenslisten mit den Namen der Bundestagsabgeordneten, denen man keine Briefe schreiben soll. Weil sie eh auf der Nichtraucherseite stehen. In der Tat muß man Nichtraucher gelegentlich bremsen, denn sie ersetzen gern das Rauchen durch Briefeschreiben. Die NID verschickt allerdings gern und gratis ein Verzeichnis aller in Nichtraucherfragen indifferenten Abgeordneten inklusive einer Reihe von Musterbriefen („Lassen Sie sich von der spendenfreudigen Zigarettenindustrie nicht kaufen“). Mit wachem Auge beobachtet die NID: – Rudolf Scharping (der sich durch Äußerungen dem Verdacht ausgesetzt hat, er wolle die Bürger nicht vor den „brutalen, rücksichtslos rauchenden ,Mitmenschen' schützen“); – die Süddeutsche Zeitung mit ihren „raucherfreundlichen Artikeln“;

– Manfred Bissinger (Die Woche), Stefan Aust (Der Spiegel), Werner Funk (Der Stern), Edzart Schmidt-Jorzig (Justizminister), Ignaz Bubis (Zentralrat der Juden in Deutschland) etc. „als Gehilfen eines Drogendealers“, genauer, als Gäste auf einem Empfang von Reemtsma („Ernte 23“);

IKEA, weil im Katalog eine Raucherin abgebildet ist;

– die Post AG, weil auf einer neuen Briefmarke der Sozialdemokrat Carlo Schmid (gestorben 1979) Zigarre raucht (Vorbild Frankreich: hier wurde dem Schriftsteller Malraux für eine Sondermarke die Zigarette wegretuschiert).

Die großartigste Argumentation eines deutschen Gerichts zugunsten der Nichtraucher gelang dem Landgericht Bonn, das den Fall eines rauchenden Ehepaares zu entscheiden hatte, welchem bei einer Kreuzfahrt eine Nichtraucher-Kabine zugemutet wurde und welches 40 Prozent des Reisepreises zurückerstattet haben wollte. Die Raucher hätten schon vorab eine besondere Vereinbarung treffen müssen, wenn sie auf den Nikotingenuß partout nicht hätten verzichten können. Der Mensch, so das Gericht, sei schließlich „von Geburt aus Nichtraucher“. BuS

Nichtraucher Bremen e.V., Tel.: 0421-211105; Mindest-Jahresbeitrag 30 Mark.

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