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Es geht um die Wurst

„Ein Monstrum“: Würstchenbude in Wandsbek soll weichen, weil sie zu modern ausfiel  ■ Von Heike Haarhoff

„Eine fliegende Schwalbe sollte es werden“, seufzt Inge Voss. So hätten es die Architekten der geplanten „Würstchenbude Moritz“dem Wandsbeker Bauausschuß im Februar 1992 versprochen. Mißmutig blickt die CDU-Politikerin Voss jetzt, fünfeinhalb Jahre später, auf die viersäulige Stahlkonstruktion mit dem 22 Meter langen, geschwungenen Flügeldach am U-Bahnausgang Wandsbeker Markt. „Schwalbe“, sagt sie dann wieder, und die ganze Verachtung für den Vergleich des stabilen Wurstpavillons mit dem grazilen Vogel schwingt mit. „Ein Monstrum ist das geworden, fürchterlich, zu massiv, zu ausladend.“

Überhaupt passe das halbfertige, „moderne Konstrukt“, dessen Dach aus Glas und Stahl die U-Bahnausgänge überlappt, nicht zu der eher biederen 50er-Jahre-Architektur in der Wandsbeker Marktstraße. Wenn sich „nichts ändert“, indem zum Beispiel die „Stahlflügel gestutzt“würden, müsse der 800.000 Mark teure Bau eben wieder abgerissen werden. Der Wurstpalast könnte dann erstmal nicht ins Erdgeschoß einziehen. Der Bauausschuß, „der das Ding so nie genehmigt“haben will, wird hierüber heute entscheiden.

„Ganz schlimm“findet das die 70jährige Grillbuden-Besitzerin Lotti Moritz, die „die Welt nicht mehr“versteht: Seit 16 Jahren betreibe sie ihre Würstchenbude („der Laden läuft“) an der Wandsbeker Marktstraße, bislang in einem umgebauten Auto-Hänger. Weil es dort „immer so zugig ist“, faßte sich Moritz Anfang der 90er Jahre ein Herz und einen Architekten und beantragte einen gemauerten, wetterfesten Wurstpavillon direkt am U-Bahnausgang.

„Es war die Idee des Bezirks, daß die Konstruktion zugleich die Treppen überdacht“, erinnert sich Moritz. So sollten Treppengänger vor Regen und Schnee geschützt werden, bestätigt Baudezernent Rainer Riedel: „Was dann aber gebaut wurde, entspricht nicht der filigranen Würstchenbude mit Flügeln, die wir genehmigt haben.“

Der Grund: Das Hamburger Architektenbüro Petzel stellte erst im nachhinein fest, daß die schlanken Stahlrohre dem schweren Glasdach nicht standhalten würden. Mit der neuen Statik änderten sich aber auch die Ausmaße. „Das wurde uns nicht mitgeteilt“, ärgert sich Riedel und ließ die Baustelle vor 14 Tagen „deshalb stillegen“. Jens Fieguth vom Büro Petzel widerspricht: Die geänderten Dimensionen seien mitgeteilt worden. „Ich weiß allerdings nicht, ob die nachgerechnet haben.“Eine Verkleinerung hält er für „unästhetisch“; höchstens „farblich ließe sich was machen“.

„Bloß kein Abriß“, fürchtet Lotti Moritz nun um ihr Geschäft. Viele KundInnen fühlen mit ihr: „Gewöhnungsbedürftig“sei das schon, sagt eine Frau, aber „verunstaltend“? Und, sinniert ein Mann über die viel wichtigere Frage: „Solange die Würstchen schmecken...?“

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